Es scheint beim WDR zur täglichen journalistischen Praxis zu werden, öffentliche Institutionen auf schmaler Faktenbasis mit Kritik zu überziehen. Im aktuellen Fall sind die JVA Wuppertal-Ronsdorf und deren Beschäftigte die Leidtragenden. Informant ist ein 22jähriger ehemaliger Insasse, dem ein Forum geboten wird, um Gewalt, Drogen und überforderte Mitarbeiter als Ursache für personelle und organisatorische Schwierigkeiten anzuprangern.

Der Ex-Häftling bemängelt die Unerfahrenheit der Bediensteten, die kaum älter seien als die Gefangenen selbst. Er trägt weiter vor, dass mündlich oder schriftlich vorgetragene Beschwerden nicht bearbeitet würden. Er kritisiert Sanktionen gegen Gefangene wegen eines verschmutzten Toasters. Der ehemalige Gefangene will zudem Kenntnis von Zwangsmedikationen haben und behauptet, neben Besuchern schmuggelten auch Bedienstete Drogen und Alkohol in die Anstalt. Um die Sache abzurunden, macht der WDR auf zwei Suizide aufmerksam, die sich in einem engen zeitlichen Zusammenhang im Herbst 2014 zutrugen.

Seit ihrer Eröffnung wurde die JVA Wuppertal-Ronsdorf oft kritisiert. „Selbsternannte“ Aufklärer forderten die Einleitung von Ermittlungen und verlangten Auskunft. Meist war die Berichterstattung auf öffentliche Wirkung angelegt und damit weniger den tatsächlichen Ursachen von Schwierigkeiten geschuldet. Doch was ist wirklich dran an den Vorwürfen, die von Zeit zu Zeit aus den Archiven hervorgekramt werden, um sie der Vollzugseinrichtung erneut vorzuhalten?

Der Vorsitzende des BSBD-Ortsverbandes, Marco Schwierzy, arbeitet seit 2011 als Justizvollzugsbeamter in der JVA Wuppertal Ronsdorf. Er empfindet die Vorwürfe als völlig überzogen und in einigen Fällen als gänzlich unbegründet und haltlos.

Anlaufschwierigkeiten, aber kein Missmanagement

Schwierzy räumt ein, dass eine völlig neu errichtete Justizvollzugsanstalt mit einem völlig neuen Personalkörper nicht von Beginn an komplikationslos laufen kann. Dafür seien die Menschen, die sich aufeinander einstellen müssten, einfach zu verschieden. In einem solchen Fall müsse zunächst ein organisatorischer Ablauf für die Dienstgestaltung und eine Sicherheitsarchitektur aufgebaut werden. Anfangs seien für alle Bediensteten das Gebäude, die Technik und die Kollegen neu gewesen. Alle hätten sich orientieren und in ihren Funktionen und Positionen zurechtfinden müssen. Zudem seien auch Kollegen, die aus anderen Einrichtungen nicht ganz freiwillig versetzt worden seien, durchaus frustriert gewesen.

„Wir waren ein zusammengewürfeltes Team“, stellt Marco Schwierzy klar, „das sich erst finden musste.“ Doch zwischenzeitlich sei der Anfangsstress bewältigt, die Dienstabläufe abgestimmt und standardisiert, so dass im dienstlichen Alltag keine gravierenden Defizite mehr zu beobachten seien. Diese positive Entwicklung, so der Gewerkschafter, sei vorrangig dem enormen Engagement des allgemeinen Vollzugsdienstes zu verdanken.

Junge Kolleginnen und Kollegen sind ein Gewinn für den Jugendvollzug

Der Vorwurf, dass die Kollegen meist jünger seien als die Insassen, ist unzutreffend. Als Justizvollzugsbeamter kann man erst mit Vollendung des 21. Lebensjahres in den Beruf einsteigen. Jedoch ist es richtig, dass die JVA Wuppertal-Ronsdorf – im Gegensatz zu anderen Vollzugsanstalten – ein relativ niedriges Durchschnittsalter aufweist.

Die hohe Anzahl jüngerer Kollegen ist aber von unschätzbarem Wert für die konkrete Ausgestaltung eines erzieherischen Jugendvollzuges. Das Team untereinander ist nicht festgefahren in alten Strukturen und zudem offener für Veränderungen. Die Bediensteten sind motiviert und halten sich ganz klar an die vorgegebenen Vorschriften, denn ein junger Bediensteter verlässt sich nicht auf seinen Status als Beamter. Die jüngeren Beamten verstehen die Sprache der ihnen anvertrauten jungen Menschen, finden schneller einen Draht zu ihnen und sind deshalb eher in der Lage, Verhaltensreflexion und –veränderung anzustoßen und zu bewirken.

Anliegen der Bediensteten werden stärker beachtet

Die Leitung der Einrichtung ermöglicht es Kolleginnen und Kollegen nunmehr, die Einrichtung ggfls. auf eigenen Wunsch zu verlassen, wenn es hierfür nachvollziehbare persönliche Gründe gibt. Die aufnehmende Einrichtung hat dann eine Stelle nach Wuppertal zu verlegen, wo in der Folge geeignetes Personal rekrutiert und ausgebildet werden kann. Mit diesem Programm wird das Ziel verfolgt, die Zufriedenheit der Kolleginnen und Kollegen zu stärken, weil jeder nach Möglichkeit dort eingesetzt werden soll, wo er seine Fähigkeiten und Kenntnisse bestmöglich einbringen kann und wo er sich persönlich wohl und gebraucht fühlt.

Beschwerden, macht Marco Schwierzy deutlich, würden in der JVA Wuppertal-Ronsdorf zeitnah bearbeitet und keinesfalls ignoriert. Die Verrechtlichung des Jugendvollzuges ermögliche es jedem Inhaftierten, vollzugliche Maßnahmen gerichtlich überprüfen zu lassen. Da bleibe für die Vollzugseinrichtung keine Möglichkeit, vorgetragene Anliegen und Beschwerden von Gefangenen einfach nicht zur Kenntnis zu nehmen.

Zu viel Verständnis?

Der Vorwurf, ein verschmutzter Toaster sei Ursache für das Verbot der Teeküchennutzung gewesen, lässt Marco Schwierzy schmunzeln. Er stellt klar, dass die Teeküche wie andere Bereiche Übungsfelder darstellten. Hier sollen die Gefangenen nachweisen, dass sich diszipliniert verhalten und getroffene Absprachen und Vereinbarungen einhalten können. Treten Schwierigkeiten auf, in dem benutzte Geräte und Ausstattungsgegenstände vereinbarungswidrig nicht gesäubert werden, sind seitens der Anstalt die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die Teeküche wieder ordnungsgemäß herrichten zu lassen. Während dieser Zeit ist die Nutzung der Einrichtung allerdings nicht möglich. Diese Abläufe sind den Inhaftierten bekannt, sie können sie selbst beeinflussen.

Für den Erziehungsprozess ist von Bedeutung, dass gewünschtes Verhalten belohnt und unerwünschtes Verhalten sanktioniert wird. In diesem Punkte, räumt der Gewerkschafter selbstkritisch ein, sei in der Vergangenheit vielleicht zu viel Verständnis für die Lage der Inhaftierten aufgebracht worden. Anstatt bekannte Regeln einfach durchzusetzen, sei mitunter zu viel diskutiert worden.

Gesundheit und Suizidprophylaxe haben Priorität

Zwangsmedikationen, erläutert Marco Schwierzy, habe es seines Wissens nach in der JVA Wuppertal-Ronsdorf noch nie gegeben. Strafvollzugsbedienstete seien darauf vorbereitet, sich mit Straftätern im Gespräch auseinanderzusetzen. Jede Form der medikamentösen Ruhigstellung wirke daher eher kontraproduktiv.

Strafvollzugsbedienstete seien immer bemüht, Gefahren für die Gesundheit der Gefangenen zu vermeiden. Verändere sich der Zustand eines Gefangenen, zeigten sich seelische oder körperliche Anzeichen einer Erkrankung, würden unverzüglich Arzt und Psychologe hinzugezogen. Auch der „aufgewärmte“ Vorwurf der Selbsttötung zweier Gefangener Ende des Jahres 2014 laufe ins Leere. Seinerzeit hatte die Anstalt keinerlei Hinweise auf mögliche Suizidgefahren, so dass diese nicht zu verhindern gewesen seien. Die Suizidprävention werde aus eigenem Interesse sehr intensiv betrieben, weil es für Strafvollzugsbedienstete nichts Schlimmeres geben könne, als einen Gefangenen tot aufzufinden.

Korruptionsvorwürfe haltlos!

Bezüglich des Einbringens von unerlaubten Sachen wie Drogen und Alkohol, erklärt Marco Schwierzy, stehe die Einrichtung nicht besser und nicht schlechter da als vergleichbare Vollzugseinrichtungen des Landes. Ein Vollzug, der auf Öffnung und die Aufrechterhaltung sozialer Kontakte angelegt sei, biete immer die Möglichkeit des Einbringens unerlaubter Gegenstände, weil diese mit letzter Sicherheit nie ausgeschlossen werden könne.

Die Kritik, Alkohol und Drogen würden durch Werkmeister eingebracht, ist nach Einschätzung des BSBD-Gewerkschafters völlig haltlos. Hierfür gebe es keinerlei Anhaltspunkte und keinerlei Beweise. Das Personal der JVA Wuppertal-Ronsdorf in dieser Weise zu diskreditieren, sei für ihn, Schwierzy, ein unerhörter Vorgang. Um den Besitz von Alkohol und Drogen zu verhindern, würden hohe Sicherheitsstandards eingehalten, die bislang auch die gewünschte Wirkung entfaltet hätten.

Nach Einschätzung des Gewerkschafters befindet sich die JVA Wuppertal-Ronsdorf auf einem guten Weg. Die baulichen und technischen Rahmenbedingungen könnten als vorbildlich gelten, der Personalkörper wachse mehr und mehr zusammen, so dass das Positive des Entwicklungsprozesses überwiege. Deshalb hält es Marco Schwierzy auch für ungerechtfertigt, längst überwundene Probleme immer wieder aufzutischen, sobald sich eine Gelegenheit bietet.

WDR unter Rechtfertigungsdruck

Marco Schwierzy hat den WDR über die vorstehend dargelegte Sicht des BSBD-Ortsverbandes informiert und zwischenzeitlich eine entsprechende Rechtfertigung des Senders erhalten. Die zuständige WDR-Redakteurin, Dr. Marion Grob, stellt klar, dass die JVA Wuppertal-Ronsdorf deshalb besondere journalistische Aufmerksamkeit erhalte, weil mit dieser Einrichtung nach dem Foltermord in der JVA Siegburg ein Neuanfang gewagt werden sollte.

Ronsdorf sei verschiedentlich Thema im Landtag gewesen, zudem seien Probleme der Einrichtung mehrfach in regionalen und überregionalen Medien aufgegriffen und diskutiert worden. Angesichts dieser Sachlage habe viel für die Glaubwürdigkeit ihres Informanten gesprochen.

Die Redakteurin äußerte Zweifel daran, dass in Ronsdorf alles zum Besten stehe, hofft allerdings mit dem BSBD, dass sich die Einrichtung auf einem guten Weg befinde. Gleichzeitig bot der WDR ein persönliches Gespräch mit dem Autor des WDR-Beitrags an. Frau Dr. Grob schloss ihr Schreiben mit der Bitte, aus der klarstellenden Stellungnahme des BSBD-Ortsverbandes künftig zitieren zu dürfen. Dieser Bitte hat Marco Schwierzy zwischenzeitlich entsprochen.

weiterlesen auf: http://www.bsbd-nrw.de/aktuelles/ortsverbaende/429-vorwuerfe-gegen-die-jva-wuppertal-ronsdorf-auf-schmaler-faktenbasis

Von BSBD NRW

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