Das System von Besoldung, Versorgung und Beihilfe für Beamtinnen und Beamte bietet die Gewähr für die Einhaltung verfassungsrechtlicher Grundlagen und ist als Teil der Attraktivität des öffentlichen Dienstes vor allem für die Nachwuchsgewinnung unverzichtbar. Das hat der stellvertretende Bundesvorsitzende und Fachvorstand Beamtenpolitik des dbb, Hans-Ulrich Benra, beim Zweiten dbb forum ÖFFENTLICHER DIENST am 4. Mai 2017 deutlich gemacht.
Die Veranstaltung in Berlin befasste sich mit dem Thema „Gesundheitsfürsorge der Beamten – Herausforderungen heute, Perspektiven morgen“. Für den dbb, so Benra weiter, lägen die Vorteile der Beihilfe klar auf der Hand: „Es handelt sich um ein leistungsfähiges, transparentes und insgesamt kostengünstiges Kostenerstattungsprinzip, das die Fürsorgepflicht der Dienstherren konkretisiert. Gemeinsam mit der ergänzenden privaten Krankenversicherung ergibt sich ein attraktives Gesamtpaket.“
Versuchen, die Beihilfe in Kombination mit der privaten Krankenversicherung auszuhöhlen und langfristig abzuschaffen, erteile der dbb eine klare Absage. „Übersehen beziehungsweise ignoriert wird, dass damit der gesamte Beamtenstatus und das Gesundheitssystem insgesamt auf eine harte Probe gestellt werden“, sagte der dbb Vize mit Blick auf Forderungen nach einer flächendeckenden Zwangsversicherung in Form einer „Bürgerversicherung“, wie sie zuletzt etwa in einer Studie im Auftrag der Bertelsmann Stiftung und in einem Positionspapier der Friedrich-Ebert-Stiftung erhoben worden waren. „Der Angriff gilt damit allen beamtenrechtlichen Sondersicherungssystemen.“ Zudem sei nach aller Expertise zu erwarten, dass die mit der so genannten Bürgerversicherung verknüpften Versprechungen – insbesondere gleiche medizinische Versorgung für alle und geringere Beitragssätze – in der Praxis nicht einzuhalten seien. „Folglich ist insgesamt weder eine finanzielle Entlastung für das Gesundheitssystem zu erwarten, noch eine Verbesserung für Beamte – und auch nicht für gesetzlich versicherte Patienten und Beitragszahler“, zeigte sich der dbb Vize überzeugt. „Die Leistungsfähigkeit kann nur durch das etablierte, duale System gesichert werden.“ Bestehende Probleme sowie Zukunftsaufgaben „müssen auch jeweils in den Systemen gelöst werden“, forderte Benra.
Innenstaatssekretär Engelke für moderne Fortentwicklung
Auch aus Sicht der Bundesregierung, so machte Hans-Georg Engelke, Staatssekretär im Bundesinnenministerium, deutlich, „ist die Beihilfe ein integraler Bestandteil des Beamtenverhältnisses und Ausdruck der Fürsorgepflicht des Dienstherrn“. Das Bundesverfassungsgericht habe in seiner Rechtsprechung zur Alimentation wiederholt die besondere Bedeutung der „Trias“ von Besoldung, Versorgung und Beihilfe gewürdigt, dementsprechend sei dieser Dreiklang auch nicht ohne Weiteres aufzulösen, betonte Engelke. Die Beihilfe sei zudem wichtiger Bestandteil des „Gesamtpakets“, das der öffentliche Dienst als Arbeitgeber im „Wettbewerb um die besten Köpfe“ zu bieten habe: „Allein über die Bezahlung werden wir in bestimmten Bereichen kein Personal gewinnen können, deswegen muss das Gesamtpaket attraktiv sein, und die Beihilfe gehört hier als wesentlicher Bestandteil dazu“, hob Engelke hervor. Eine Abschaffung der Zwei-Säulen-Lösung in Deutschland hätte gravierende Konsequenzen, warnte Engelke: Damit fiele die „belebende Konkurrenz“ weg, ein Wegfall der unterschiedlichen Gebührenordnungen ließe eine Kostenexplosion befürchten. Außerdem täten sich zwangsläufig Finanzierungslücken auf: „Das, was auf der einen Seite möglicherweise eingespart werden könnte, müsste auf der anderen Seite doch wieder ausgegeben werden.“ Engelke forderte eine kritische Hinterfragung und moderne Fortentwicklung des Beihilfesystems. Man müsse „mit Vernunft, Sorgfalt und ohne Ideologie“ für Zukunfts- und Finanzierungssicherheit sorgen. Hierbei gehe es insbesondere um ständige Optimierungs- und Modernisierungsmaßnahmen, etwa die Nutzung von neuen Möglichkeiten der Telemedizin und elektronische Abrechnungswege, die für mehr Kundenzufriedenheit und Akzeptanz des Systems sorgten: „Warum keine Beihilfe-App?“, fragte Engelke. Den Versorgungsfonds, in dem der Bund für seine Beamtinnen und Beamten Pensions- und Beihilferücklagen mit dem Ziel einer Kapitaldeckung bildet, nannte Engelke als sinnvolles Beispiel für ein nachhaltig finanziertes Beihilfewesen, das seiner Ansicht nach auch weiterhin ein Erstattungssystem bleiben müsse. „Die Beihilfe im Beamtenbereich hat einen langen und erfolgreichen Weg hinter sich, jetzt heißt es, für ihre Zukunft zu arbeiten“, so Engelke.
Wirtschaftsforscher: Gesundheitswirtschaft ist Wachstumsmotor
Dennis Ostwald, Geschäftsführer der WifOR Wirtschaftsforschung, stellte die Bedeutung der Gesundheitswirtschaft für Wohlstand und Wachstum in Deutschland in den Mittelpunkt seines Vortrags. Und die ist nicht von der Hand zu weisen: Zwölf Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) kommen vom Gesundheitssektor. Zum Vergleich: Die Autoindustrie kommt auf vier Prozent. Noch größer ist der Anteil am Arbeitsmarkt, dort stellt die Gesundheitswirtschaft sogar 16 Prozent aller Beschäftigten, das sind etwa 7 Millionen Menschen. Zur Wichtigkeit der Privaten Krankenversicherungen (PKV) führte Ostwald die folgenden Zahlen an: Auf einen Euro Wertschöpfung der PKV folgt eine zusätzliche Wertschöpfung von 2,1 Euro. Auch die Bedeutung für den Arbeitsmarkt sei deutlich, so der Experte: Jeder PKV-Arbeitsplatz bedingt 4,6 weitere Arbeitsplätze. Für die PKV sei wiederum die Beihilfe wesentlich, so Ostwald. Betrachte man die Zahlen, werde sehr deutlich: Die Beihilfe als Teil des PKV-Systems, und dieses wiederum als Säule der Gesundheitswirtschaft, seien große Wirtschaftsfaktoren für Deutschland.
PKV-Verbandschef Leienbach: Systemwechsel hätte schwerwiegende Finanzfolgen
Die Position der Privaten Krankenversicherer machte Volker Leienbach, Verbandsdirektor Verband der Privaten Krankenversicherung e.V., klar. Er plädierte, motiviert durch Fragen aus dem Plenum, für die weitere Koexistenz von Privater Krankenversicherung (PKV) und Gesetzlicher Krankenversicherung (GKV) und gegen die Einführung einer Bürgerversicherung. „Wir haben das beste System“, zeigte sich Leienbach überzeugt, „mit europaweit geringsten Wartezeiten, freier Arztwahl und im Vergleich niedrigen Zuzahlungen. Das ist sowohl dem Wettbewerb der Krankenkassen untereinander zu verdanken, als auch der großen Bewegungsfreiheit, die der PKV bei der Verbesserung von Diagnostik und Therapie eingeräumt wird.“ Von dieser Freiheit profitierten auch die Versicherten der GKV, weil meist zeitnah die in der PKV genutzten Standards in ihren Leistungskatalog übertragen würden. Als Beispiel führte Leienbach die „aufsuchende Pflege“ an, mit der die PKV die Betreuung Pflegebedürftiger in ihren Familien wesentlich verbessert habe: „Die wird inzwischen auch von den Gesetzlichen so wahrgenommen.“ Die Bürgerversicherung bezeichnete Leienbach als „rot-rot-grünes Projekt, das jeglichen Beleg dafür schuldig bleibt, dass mit seiner Realisierung auch eine bessere Gesundheitsversorgung erreicht werden soll“. Auch warnte Leienbach vor den finanziellen Folgen, die ein Systemwechsel auslösen würde: „Gesetzt den Fall, alle in der PKV Versicherten würden in die GKV überführt: Dann entsteht ein Einnahmeverlust von rund 13 Milliarden Euro jährlich, von dem 6 Milliarden zulasten der niedergelassenen Ärzte gingen.“ Das wären pro Arztpraxis im Durchschnitt 49.000 Euro – Geld, das dem Mediziner fehle, um seine Praxis, Diagnose- und Behandlungsgeräte zu modernisieren. Hinzu komme, dass ein Wegfall der aus der PKV fließenden Mittel eine Erhöhung des GKV-Beitrags um mindestens ein Prozent zur Folge haben würde. Leienbach: „Davon spricht freilich kein Befürworter der Bürgerversicherung.“ Der PKV-Verbandsdirektor war Solist auf dem Podium, weil die anderen Teilnehmer der Diskussionsrunde zum Thema „Wettbewerb im Gesundheitssystem – Mehrwert für alle“ – nämlich die SPD-Bundestagsabgeordnete Hilde Mattheis, Obfrau und Sprecherin im Ausschuss für Gesundheit, und der Obmann im Innenausschuss, Armin Schuster (CDU) – ihre Beteiligung überraschend absagen mussten.
Fachforen von Praktikern und Betroffenen
In zwei aufeinanderfolgenden Fachforen am Nachmittag analysierten Juristen, Praktiker und Betroffene die Problematik und erarbeiten Positionen. Das dbb forum I stand unter dem Motto „Ausgestaltung der Beihilfe in Bund und Ländern – Zwischen Leistungsfähigkeit und Sparzwang“. Dort stellten Beihilfeexperten aus den Bundesländern Sachsen, Baden-Württemberg, Bayern und Berlin exemplarisch ihr Länderrecht vor und zeigten den jeweiligen aktuellen Stand der Landesbeihilfeverordnungen auf. Zudem gaben sie Erste-Hand-Informationen und Einblicke zur Zahl der Beihilfeberechtigten, dem Umfang der finanziellen Gesundheitsaufwendungen sowie der Anzahl der Verwaltungsprozesse, deren Ausgestaltung und praktische Abwicklung. Außerdem wurde die Organisation der jeweiligen Beihilfebearbeitung sowohl für den direkten Bereich der Länder als auch die Kommunen näher beleuchtet. Es wurde deutlich, dass trotz gleicher Herausforderungen des medizinischen Fortschritts, der Rechtsprechung und der demografischen Entwicklung jeweils unterschiedliche Lösungsmöglichkeiten verfolgt werden und wie viele Unterschiede im Detail bestehen.
Im dbb forum II „Weiterentwicklung der Beihilfe – Konzepte und Innovationen“ stand die Weiterentwicklung der Beihilfe im Mittelpunkt. Dabei wurden die gemeinsamen Bemühungen über den Beihilfekreis Bund / Länder erörtert, Grundeinheitlichkeiten abzustimmen und das Abrechnungsverfahren sowohl effizienter als auch für die Beihilfeberechtigten einfacher zu gestalten. Dabei sei das Ziel, über eine Direktabrechnung beispielsweise Krankenhausrechnungen direkt zwischen Leistungserbringern und Beihilfe zu ermöglichen. Hierzu soll eine einheitliche Lösung gemeinsam mit den Leistungserbringern erarbeitet werden, die einen medienbruchfreien und datenschutzkonformen Datenaustausch ermöglichen soll.
Eigenthaler: Beamte haben Recht auf gute Leistungen und faire Behandlung
“Das machen wir nicht mit!“ dbb Vize Thomas Eigenthaler erteilte in seinem Schlusswort allen Verfechtern einer einheitlichen Bürger-Krankenversicherung eine klare Absage und äußerte starke Zweifel daran, dass das jetzige System der Gesetzlichen Krankenversicherung das Ideal schlechthin sei: „Alle tun so, als wäre dort alles in Ordnung. Aber Patienten und Ärzte beklagen sich in einem fort, wir hören von Zusatzbeiträgen und werden Zeuge der Verabschiedung aus der paritätischen Beitragsfinanzierung – das soll nun die Lösung für alle sein?“, fragte Eigenthaler. Es liege der Verdacht nahe, dass die Befürworter einer Einheitslösung lediglich an das Kapital der Beihilfeberechtigten und privat Versicherten heranwollten, um „ein intransparentes System weiter zu stützen“. Der dbb Vize appellierte an die Politik, die Beamtinnen und Beamten nicht weiter mit unnötigen Systemdiskussionen zu verunsichern.
Der stellvertretende Bundesvorsitzende nahm auch die Dienstherrn in den Blick und stellte zur aktuellen Lage des Beihilfesystems fest, dass auch hier „nicht alles Gold ist, was glänzt“. So müssten sich die Dienstherrn ihrer Fürsorgepflicht jederzeit bewusst sein und sich klar machen, dass Arbeitsverdichtung und steigende Krankheitskosten in einem Zusammenhang stünden. „Da darf sich niemand einfach in die Büsche schlagen“, forderte Eigenthaler. „Wer lebenslange Hingabe erwartet, muss auch die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Kolleginnen und Kollegen gesundheitlich überhaupt dazu in der Lage sind“. Eine Fürsorge im echten Sinn bedeute zudem, die Beihilfekonditionen nicht als Einfallstor für Sparmaßnahmen und Erpressungsversuche im Zusammenhang mit der Gestaltung der jeweiligen Einkommensbedingungen zu missbrauchen, wie es fallweise auf Länderebene bereits vorgekommen sei. „Wir haben ein Recht auf gute Leistungen und faire Behandlung“, betonte Eigenthaler.
Quelle: https://www.dbb.de/teaserdetail/artikel/beihilfe-fuer-attraktivitaet-des-oeffentlichen-dienstes-unverzichtbar-2.html