Die Richter der 2. Kammer des 2. Senats des Bundesverfassungsgerichts haben mit Beschluss vom 28. November 2017 (2 BvR 2221/16) der Verfassungsbeschwerde eines Strafgefangenen stattgegeben, die sich gegen die überteuerten Telefongebühren im Strafvollzug richtete. Nach Auffassung der Verfassungsrichter verstößt es gegen das verfassungsrechtliche Resozialisierungsgebot, wenn die wirtschaftlichen Interessen eines Gefangenen missachtet werden.
Insoweit reiche der lapidare Hinweis auf die mit einem privaten Telekommunikationsanbieter langfristig eingegangene Vertragsbindung nicht aus. Die Vertragsbindung hindere die Vollzugseinrichtung im Übrigen nicht, die verbrauchten Telefoneinheiten zu marktüblichen Konditionen anzubieten.
Der Beschwerdeführer war Strafgefangener in einer Justizvollzugsanstalt in Schleswig-Holstein. Diese verfügt über ein Insassentelefonsystem, das von einem privaten Telekommunikationsanbieter auf Basis eines mit dem Land Schleswig-Holstein langfristig geschlossenen Vertrags betrieben wird. Alternative Telefonnutzungsmöglichkeiten bestehen für die Insassen nicht. Im Juni 2015 führte der Anbieter einen Tarifwechsel durch, was für den Beschwerdeführer erheblich höhere Telefonkosten verursachte. Mit seinen Anträgen an die Vollzugseinrichtung und mit der anschließenden gerichtlichen Überprüfung der Vollzugsentscheidung hatte er in allen Instanzen keinen Erfolg. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer vornehmlich die Verletzung seines Grundrechts auf Resozialisierung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes.
Die Verfassungsrichter entschieden, dass Telekommunikationsleistungen nicht unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden müssen, aber auch nicht überteuert sein dürfen, dies gebiete der verfassungsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Wenn Gefangene ohne eine am Markt frei wählbare Alternative seien, müssen die Vollzugseinrichtungen diese Leistungen zu marktüblichen Konditionen anbieten. Dies gelte selbst für den Fall, dass die Bereitstellung von Telekommunikationsleistungen auf einen externen Anbieter übertragen worden sei. Insoweit greife die Fürsorgepflicht der Vollzugseinrichtungen.
Im konkreten Fall hatte der betroffene Strafgefangene aus Schleswig-Holstein geklagt, weil das Justizministerium mit einem privaten Telefonanbieter einen Tarifwechsel vereinbart hatte, der für die Gefangenen zu deutlich höheren Gebühren führte. Der Beschwerdeführer verwies darauf, dass er deshalb Telefonkosten von etwa 80 Euro im Monat habe. Andere Anbieter seien aber um bis zu 50 Prozent günstiger.
Das Festhalten an dem geschlossenen Vertrag, den das Justizministerium mit einer Laufzeit von 15 Jahren ausgehandelt hat und dessen vorzeitige Kündigung nicht beabsichtigt ist, hindert die Justizvollzugsanstalt nach Ansicht der Verfassungsrichter nicht daran, dem Beschwerdeführer marktgerechte Preise in Rechnung zu stellen oder ihm kostengünstigere Alternativen der Telefonnutzung anzubieten.
Friedhelm Sanker
Symbolfoto: © sebra/stock.adobe.com
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