Eine neue Wertschätzung für den öffentlichen Dienst sieht der dbb Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach.
„Ein guter, stabiler Staat hilft an allen Ecken und Enden. Und die Leute wissen, dass der öffentliche Dienst besser ist als sein Ruf, der uns hier und da noch immer anhängt“, sagte der dbb Chef dem Berliner „Tagesspiegel“ (Ausgabe vom 9. April 2018) im Interview.
„Privat vor Staat ist vorbei“, machte Silberbach deutlich. „Das wichtigste Thema in den nächsten Jahren ist der Strukturwandel im öffentlichen Dienst. Hier ist viel versäumt worden. Seit Jahrzehnten reden wir über die demografische Entwicklung, und was macht der Bund? Er schafft 500 neue Stellen im Jahr. Das reicht hinten und vorne nicht“, sagte der dbb Chef mit Blick auf den massiven Personalmangel im Staatsdienst. „Über alle Gebietskörperschaften hinweg fehlen derzeit rund 200.000 Arbeitskräfte, darunter allein 130.000 Erzieher. In Berlin schicken wir 90 Prozent der Kitakinder ohne Deutschkenntnisse in die Grundschule – das ist eine Bankrotterklärung des Staates. Wenn wir nicht die Lücken schließen, dann wird aus dem Investitionsstau ein Investitionsinfarkt, weil keine Leute mehr da sind, um die Investitionen zu planen und umzusetzen. Dann kommen wir in der Bildung nicht voran und kriegen auch unsere Infrastruktur und die Wirtschaft nicht modernisiert“, warnte Silberbach.
Der Bundesvorsitzende des gewerkschaftlichen Dachverbandes forderte klare finanzielle Anreize für das bestehende und künftige Personal im öffentlichen Dienst, das gelte insbesondere für die aktuelle Tarifrunde bei Bund und Kommunen: „Die Politik muss den Wettbewerb um die Arbeitskräfte annehmen und mit uns gemeinsam den öffentlichen Dienst attraktiver machen. Die Kassen sind voll.“ In Zukunft müssten neben dem Einkommen auch Arbeitszeit, Digitalisierung und Weiterbildung Themen der Diskussion im Staatsdienst werden, unterstrich Silberbach. „In einer der nächsten Tarifrunden werden wir über Arbeitszeitmodelle reden müssen, auch im Zusammenhang mit der Digitalisierung. Da wir auf dem Arbeitsmarkt nicht die erforderlichen Fachkräfte finden, müssen wir das vorhandene Personal weiterbilden, gerade auch mit Blick auf die Möglichkeiten der Digitalisierung. Doch das weite Feld der Qualifizierung und Weiterbildung ist im öffentlichen Dienst eine Trauerlandschaft. In den letzten 30 Jahren ist da nicht viel passiert. Die vorhandenen Menschen fit machen für die digitale Welt – das ist das dicke Brett der kommenden Jahre.“
Im Zusammenhang mit der anstehenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über ein mögliches Streikrecht für verbeamtete Lehrer wiederholte Silberbach die Position des dbb: „Rund 600.000 der 800.000 Lehrerinnen und Lehrer hierzulande sind aus guten Gründen verbeamtet und dürfen nicht streiken. Die Menschen schätzen die Zuverlässigkeit des Staates, in dem die Schulpflicht immerhin Verfassungsrang hat. Daraus ergibt sich umgekehrt natürlich die Verpflichtung, Unterricht verlässlich zu garantieren. Wir haben in Deutschland eine Entscheidung getroffen für ein Berufsbeamtentum ohne Streikrecht. Die Sozialromantiker, die das abschaffen wollen, verstecken sich hinter Europa und haben hierzulande keine Mehrheit.“
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