Mit seinem heute veröffentlichten Beschluss vom 16. Mai 2018 ( 2 BvR 635/17 ) hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass Gerichte gegen das grundgesetzlich geschützte Recht auf effektiven Rechtsschutz verstoßen, wenn sie die Erhebung von Kostenpauschalen in Vollzugseinrichtungen ungeprüft stützten. Ein effektiver Rechtschutz und eine wirksame gerichtliche Überprüfung müssten folglich zwingend auf einer zureichenden Sachverhaltsaufklärung beruhen.
Für eine Kostenbeteiligung Gefangener an Strom- oder Betriebskosten bedeute dies, dass die Gerichte ihren Entscheidungen nicht ungeprüft die Behauptung der Justizvollzugsanstalt zugrunde legen dürften, die Einnahmen durch erhobene Betriebskostenpauschalen lägen unter den Kosten des durchschnittlichen tatsächlichen Verbrauchs. Die Zweite Kammer des Bundesverfassungsgerichts hat auf die Verfassungsbeschwerde eines Strafgefangenen hin die Sache zur erneuten Entscheidung an die zuständige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Der Entscheidung liegt der Fall eines Gefangenen zugrunde, der in der JVA Straubing eine lebenslange Freiheitsstrafe verbüßt. Für sein Fernsehgerät in seinem Haftraum erhob die Vollzugseinrichtung eine Kotenpauschale. Im Juni 2016 informierte die Justizvollzugsanstalt schriftlich, dass infolge der Inbetriebnahme einer neuen Satellitenempfangsanlage ab Juli 2016 für jedes in der Justizvollzugsanstalt Straubing betriebene Fernsehgerät monatlich eine „Strom- und Betriebskostenbeteiligung“ von 3 Euro erhoben werde. Gegen diese Anordnung ging der Beschwerdeführer erfolglos gerichtlich vor dem Land- und dem Oberlandesgericht vor. Er wandte sich gegen die Abbuchung seines Kostenbeitrags, der sich durch die Neuregelung von 4,50 Euro auf 9 Euro im Quartal erhöht hatte. Der Beschwerdeführer bemängelte, dass die Vollzugseinrichtung einmalige Investitionskosten für eine modernisierte Satellitenanlage als Betriebskosten umlege und über die Pauschale den kostenfrei anzubietenden Grundbedarf finanziere.
Auf der Grundlage des Bayerischen Strafvollzugsgesetzes und auch nach anderen Vollzugsgesetzen ist es zulässig, Gefangene zu den Betriebskosten für Hör- und Fernsehempfang sowie den Betrieb sonstiger elektrischer Geräte heranzuziehen. Die Kosten in Form von Pauschalen zu erheben, begegnet nach Ansicht der Richter auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Eine pauschalierte Abrechnungsweise kann durchaus zu verfassungsrechtlich relevanten Ungleichbehandlungen führen. Diese können jedoch grundsätzlich aus Praktikabilitätserwägungen gerechtfertigt sein, weil eine individuelle Abrechnung erhebliche Kosten und Schwierigkeiten verursache.
Verfassungsrechtlich zweifelhaft sei es allerdings, wenn mit der Pauschale auch der von Verfassungs wegen kostenfrei zur Verfügung zu stellende Grundbedarf finanziert würde, weil die Pauschale höher als die tatsächlich verursachten Strom- und Betriebskosten sei.
Landgericht und Oberlandesgericht haben es nach Einschätzung der Verfassungsrichter versäumt, eine wirksame gerichtliche Kontrolle vorzunehmen, indem sie ihren Entscheidungen die bestrittene Behauptung der Justizvollzugsanstalt zugrunde legten, die Einnahmen durch die erhobenen Pauschalen lägen auch nach der Erhebung der neuen Betriebskostenpauschale noch unter den „Kosten des durchschnittlichen tatsächlichen Verbrauchs“. Hier auf eine eigene, zureichende Sachaufklärung zu verzichten, habe den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt.
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