Ende des 20. Jahrhunderts waren Privatgefängnisse auf dem Vormarsch. Ausgehend von Amerika griff diese Spielart des neoliberalen Wirtschaftens auf Großbritannien und Australien über. Auch Deutschland blieb nicht verschont. Zum Glück schützte der Funktionsvorbehalt des Artikels 33 Abs. 4 des Grundgesetzes den bundesdeutschen Vollzug vor der Einrichtung von Vollzugseinrichtungen ganz in privater Hand.
Die Politik wäre seinerzeit wohl durchaus bereit gewesen, sich auf solche Experimente einzulassen. Auch dem BSBD ist es zu verdanken, dass Privatunternehmen im Strafvollzug nur vereinzelt Fuß fassen konnten. Die britische Regierung muss sich jetzt eingestehen, dass ihr Experiment – zumindest am Standort Birmingham – grandios gescheitert ist.
In Birmingham hatte es immer wieder Sicherheitsstörungen gegeben, die Ende letzten Jahres kaum mehr akzeptable Ausmaße annahmen. Die Inhaftierten revoltierten. Rund 600 Gefangene legten Brände, randalierten, zündeten Feuerwerkskörper und riefen Rundfunksender an, um auf die unhaltbaren Zustände im Vollzug aufmerksam zu machen. Sie beanstandeten schlechtes Essen, gravierende Hygienemängel und einen eklatanten Mangel an Personal. Erst nach vielen Stunden gelang es der Anstaltsleitung, die Revolte zu beenden.
Aufgeschreckt durch diese Ereignisse und permanente Berichte über Gewalt, Drogenkonsum und Kontrollverlust der privaten Gefängnisbetreiber schickte die Regierung staatliche Inspekteure nach Birmingham, um ein zutreffendes Bild von den Verhältnissen zu gewinnen. Chef-Inspekteur Peter Clarke berichtete, dass die Haftanstalt in eine tiefe Krise gerutscht sei. Während der Inspektionen seien etliche Gefängnismitarbeiter schlafend oder eingesperrt in ihren Büros angetroffen worden. An vielen Stellen der insgesamt baufälligen Gebäude habe sich Ungeziefer breit gemacht, Müll sei auf den Fluren und Gängen der Haftanstalt entsorgt worden. In den ersten sieben Monaten des Jahres habe man 1.434 Übergriffe registrieren müssen. Angesichts dieser Zustände hätten die Inspekteure der Regierung Handlungsvorschläge unterbreitet.
Diese als chaotisch zu bezeichnenden Verhältnisse haben die britische Regierung dazu bewogen, dass Gefängnis in Birmingham wieder unter staatliche Kontrolle zu stellen. Das Justizministerium hat einen neuen Anstaltsleiter und ein neues Leitungsteam installiert, dreißig zusätzliche Vollzugskräfte eingestellt und die Belegung reduziert, so dass Ende Juli nur noch 1.300 Gefangene in Birmingham einsaßen.
Anfang der Neunzigerjahre hatte die britische Regierung 17 der 123 Vollzugseinrichtungen privatisiert. Birmingham soll dem Vernehmen nach das erste privatisierte Gefängnis sein, in dem gravierende Mängel und chaotische Zustände aufgetreten sind, so dass Fach- und Dienstaufsicht einschreiten und die Kontrolle übernehmen mussten. Ob die Vorkommnisse in Birmingham die britische Regierung veranlassen, die Privatisierung grundsätzlich auf den Prüfstand zu stellen, bleibt zu hoffen, gilt aber nicht als ausgemacht, weil die britische Regierung die Beendigung der Privatisierung in Birmingham befristet hat.
Friedhelm Sanker
Symbolbild: ©josefkubes - stock.adobe.com
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