Anlässlich der Sitzung des BSBD-Hauptvorstandes, des höchsten Gremiums der „Gewerkschaft Strafvollzug“ zwischen den Gewerkschaftstagen, am 15. November 2018 in Hagen appellierte BSBD-Landesvorsitzender Peter Brock vor den annähernd 100 Delegierten aus den Ortsverbänden des Landes an die Politik, den Strafvollzug aus dem politischen Meinungsstreit herauszuhalten.
Anlass waren einige Sicherheitsstörungen, die sich in den NRW-Vollzugseinrichtungen ereignet haben. Speziell der Umgang der Politik mit dem Tod eines Inhaftierten in der JVA Kleve erregte den Unmut und Widerspruch des Vorsitzenden und der Strafvollzugsbediensteten. Erfreulich ist andererseits, dass die Landesregierung sich weiter den schrittweisen Abbau des bestehenden Personaldefizits im Vollzug zum Ziel gesetzt hat und mit dem Haushalt 2019 weiter an dessen Realisierung arbeitet.
Peter Brock mahnte eine höhere Schlagzahl bei der Entwicklung von effektiven Behandlungs- und Sicherheitskonzepten für den Umgang mit Tätern aus dem Bereich des politisch und religiös motivierten Terrorismus an. Zwar sei das erforderliche Personal rekrutiert worden, die Praxis warte aber sehnsüchtig auf die Vorlage von Konzepten, auf deren Grundlage die auftretenden Probleme effektiv angegangen werden könnten. Derzeit sind die Kolleginnen und Kollegen im Umgang mit dieser Klientel auf ihre eigenen Erfahrungen angewiesen, was sich mitunter bei mangelndem Respekt der Gefangenen und deren erhöhter Bereitschaft, ihren Interessen auch durch die Drohung oder Anwendung von Gewalt Nachdruck zu verleihen, als überaus belastend erweist.
Vollzug wird zum Spielball im politischen Meinungsstreit
BSBD-Chef Peter Brock stellte den Umgang der Politik mit außerordentlichen Sicherheitsstörungen in den Mittelpunkt seines Rechenschaftsberichtes. Der Tod eines 26-jährigen Syrers, der in der JVA Kleve aufgrund einer Identitätsverwechselung durch die Polizei einsaß, hat zu Kontroversen in der politischen Auseinandersetzung geführt. Der BSBD-Chef bemängelte, dass die bisherige Praxis, den Strafvollzug nicht zum Gegenstand des politischen Meinungsstreits zu machen, offenbar aufgegeben worden ist. Für den Vollzug, so der Gewerkschafter, sei dies eine erhebliche Hypothek. Bei Straftätern Verhaltensänderung zu bewirken, sei ein Prozess, der auf Kontinuität und verlässliche Rahmenbedingungen zwingend angewiesen sei. Diesen Prozess durch kurzatmige Eingriffe der Politik zu unterbrechen und zu stören, wird sich als kontraproduktiv erweisen. Hierdurch wird ein Klima der Absicherung erzeugt, das einen unbefangenen und unvoreingenommenen Umgang mit der Klientel nachhaltig stört.
Dies scheint für Politiker allerdings keine Kategorie zu sein, die für ihren Meinungsstreit von Bedeutung ist, das hat die parlamentarische Aufarbeitung des Klever Vorkommnisses in den zurückliegenden Wochen deutlich gemacht. Getrieben von dem Wunsch, den Justizminister „politisch zur Strecke zu bringen“, scheint offenbar vieles hoffähig zu werden, was bis vor kurzem noch als sakrosankt galt.
Scharf kritisierte Peter Brock die Angriffe der Oppositionsparteien, die nicht davor zurückgeschreckt seien, die Klever Kolleginnen und Kollegen dem Verdacht der Tötung des Brandopfers auszusetzen, um die Bedeutung der Sicherheitsstörung „politisch aufzublasen“. „Das schlimmste, was dem Vollzug passieren kann, ist die Fortführung einer sich abzeichnenden Praxis, die unvermeidlichen Vorkommnisse im Vollzug als Hebel zur politischen Attacke auf den jeweils zuständigen Fachminister zu missbrauchen“, bemängelte der BSBD-Vorsitzende den derzeitigen Umgang der Politik mit dem NRW-Strafvollzug.
Schuldenbremse rückt näher
Der Vorsitzende nahm die 2020 wirksam werdende „Schuldenbremse“ zum Anlass, den Delegierten mögliche Auswirkungen vor Augen zu führen. Allen sei noch die Zeit der permanenten Zugriffe der Haushaltspolitiker in Erinnerung. Erst mit den sprudelnden Steuereinnahmen und mit dem abnehmenden Sicherheitsgefühl vieler Menschen habe die neue Landesregierung in die Sicherheitsdienste und damit auch in den Strafvollzug investiert.
Nachdem sich die Weltwirtschaft eintrübe, müsse künftig wieder mit geringeren Steuereinnahmen gerechnet werden. Im Zusammenwirken mit der „Schuldenbremse“, so Brock, könne dies wieder die „Sparkommissare“ auf den Plan rufen. Dann könnten wieder Vorstellungen mehrheitsfähig werden, die bereits vor mehr als einem Jahrzehnt angestellt und entwickelt worden seien und die letztlich in die Irre geführt hätten. Damals wollte man die Verwaltung mit neoliberalen Methoden reformieren, weil man sie als ineffektiv ansah, die zu stark regel- und zu wenig ergebnisorientiert arbeite. „Dies war damals eine Abfolge schallender Ohrfeigen für den öffentlichen Dienst. Diese hatten aber nicht die Bediensteten, sondern eher die Politiker verdient“, beanstandete Peter Brock. Was als Reformvorhaben dahergekommen sei, habe sich damals als reines Sparprojekt entpuppt, beim öffentlichen Dienst kräftig den Rotstift anzusetzen. Ohne diese Sparexzesse wäre insbesondere der Bereich der Inneren Sicherheit besser auf die erkennbaren Herausforderungen vorbereitet gewesen, als dies derzeit der Fall sei.
BSBD-Landesvorsitzender Peter Brock führte vor den Delegierten aus, dass wir zur Kenntnis nehmen müssten, dass die großen, durchgreifenden gewerkschaftlichen Erfolge einen langen Atem benötigten. Dass trotz schwieriger werdender Rahmenbedingungen aber durchaus vorzeigbare Erfolge erzielt worden seien, so der Gewerkschaftschef, sei ein Beleg für Effektivität und Wirksamkeit der Vertretung der Interessen der Kolleginnen und Kollegen durch den BSBD.
Ausgleichszulage für vorgezogene Altersgrenzen
Die Dienstrechtsreform des Jahres 2016 hat die Ausgleichszulage nach Einschätzung des Vorsitzenden vernachlässigt. Der BSBD strebe seither die Verbesserung der Ausgleichszahlung gemäß § 56 a LBeamtVG NRW an. Durch die Anhebung der Regelaltersgrenze auf das vollendete 67. Lebensjahr müsste sich der finanzielle Ausgleich sukzessive wieder erhöhen, bis er im Jahre 2029 den Höchstbetrag von 4.091,00 Euro erreichen müsste. Der BSBD, so der Vorsitzende, sei im Gesetzgebungsverfahren mit dieser Forderung leider nicht durchgedrungen. „Es ist aber eine Frage von Fairness und der Gerechtigkeit bei Erhöhung der Zeitspanne zwischen besonderer Altersgrenze und Regelaltersgrenze den finanziellen Ausgleich entsprechend anzuheben, der bei Anhebung der Sonderaltersgrenze vom 60. auf die Vollendung des 62. Lebensjahres abgesenkt worden ist“, erläuterte Peter Brock. Für den BSBD bleibe es folglich weiter Aufgabe, von der Landesregierung die Rückkehr zu gerechten Verhältnissen einzufordern, egal wie lange es dauern werde.
Das Bauprogramm ist eine Herausforderung für den Vollzug
Das bereits unter der Vorgängerregierung entwickelte und jetzt durch Schwarz-Gelb ergänzte Investitionsprogramm für den Vollzug sieht die Neuerrichtung und Grundsanierung von etlichen Vollzugseinrichtungen vor. Während die sanierten Bauten aus dem 19. Jahrhundert eine noch gute Bausubstanz aufweisen, sind viele der in den 60er und 70er Jahren des letzten Jahrhunderts errichteten Gefängnisse oftmals baulich marode. Pfusch am Bau dürfte hierfür ursächlich sein. Eine Entwicklung, die allein auf ökonomischen Erfolg ausgerichtet ist, verliert eben die Qualität des zu erstellenden Produktes allzu leicht aus den Augen. Baumeister vergangener Epochen hatten da noch das Gelingen ihres Werkes im Auge.
Wenn die Projekte demnächst realisiert werden, wird der BSBD sehr sorgfältig auf den Umgang mit allen Betroffenen achten. Bei der Sanierung während des laufenden Betriebs sind Überlastungen des Personals zu vermeiden, aber auch der Umgang mit Dienst- und Mietwohnungsinhabern verlangt nach sozialverträglichen Lösungen, falls die Flächen der Wohngebäude für die Erweiterung von Einrichtungen benötigt werden.
Die JVA Iserlohn mag insoweit als abschreckendes Beispiel dienen, wo sich Bürger unzureichend beteiligt und Wohnungsinhaber „verraten und verkauft“ vorkommen. Hier ist die Justizverwaltung gut beraten, auf die Beteiligten zuzugehen und nach einvernehmlichen Lösungen zu suchen. Der BSBD, dies stellte Peter Brock klar, werde nachdrücklich auf solche Lösungen drängen. Im Baubereich muss schnell gehandelt werden, damit die Vollzugseinrichtungen mittelfristig nicht durch steigende Gefangenenzahlen und sanierungsbedingt geringeren Kapazitäten überfordert werden.
Überstundenstand ist ein Überlastungsindikator
Selbst die finanzielle Abgeltung von Mehrarbeitsstunden konnte nicht dauerhaft für einen Rückgang der Überstunden sorgen. Der Stundenstand pegelt sich gerade wieder bei rd. 500.000 Stunden ein. Der richtige Weg, dauerhaft für Abhilfe zu sorgen, ist die Behebung der Personallücke im Strafvollzug. Hier ist Justizminister Peter Biesenbach (CDU) auf einem guten Weg. Seit seiner Amtsübernahme – und das Jahr 2019 eingerechnet – kann der Vollzug für rd. 400 zusätzliche Stellen verfügen.
Auf die Mehrarbeit kann sich diese Stellenvermehrung aber erst dann nachhaltig auswirken, wenn die Stellen besetzt und die Nachwuchskräfte ausgebildet sind. Von daher, machte Peter Brock deutlich, wird uns dieses Problem noch einige Zeit erhalten bleiben. Zumindest aber haben die Kolleginnen und Kollegen die Perspektive, dass Besserung in Sicht ist.
Nachwuchsgewinnung gestaltet sich zunehmend problematisch
Die Delegierten berichteten aus den Ortsverbänden, dass es zunehmend schwieriger werde, geeignete Bewerber für ein berufliches Engagement im Strafvollzug zu gewinnen. In einigen Regionalbereichen sei es bereits problematisch überhaupt den jährlichen Ersatzbedarf zu decken. Insoweit macht sich bemerkbar, dass in einigen Regionen des Landes der Fachkräftemangel bereits offen zu Tage tritt.
Nach Überzeugung der Delegierten wird der Strafvollzug bei der Nachwuchsgewinnung künftig nur dann erfolgreich sein, wenn sowohl die Arbeitsbedingungen als auch die Entlohnung und Besoldung angemessen verbessert werden können. Der Hauptvorstand wiederholte deshalb seine Forderung, den Anwärtersonderzuschlag, der gegenwärtig für die Laufbahnen des allgemeinen Vollzugsdienstes und des Werkdienstes gezahlt wird, anzuheben und auf die Laufbahnen des mittleren Verwaltungsdienstes und des gehobenen Vollzugs- und Verwaltungsdienstes auszudehnen. Durch eine solche Maßnahme, so die Auffassung der Gewerkschafter, ließe sich das Bewerberpotential deutlich erhöhen, weil dann auch Zweitberufler und Lebensältere vermehrt für ein berufliches Engagement im Strafvollzug interessiert werden könnten. In der Marktwirtschaft ist es eben so, dass Angebot und Nachfrage den Preis bilden. Und bei geringerem Angebot, so die Überzeugung der Delegierten, müssen sich die öffentlichen Arbeitgeber auch bei der Entlohnung bewegen.
Tarifrunde 2019 birgt Konfliktpotential
Der DBB bereitet die Tarifrunde derzeit im Rahmen von Branchentagen vor. Die BSBD-Tarifexpertin Andrea Krehl berichtete über die von Ihr gemeinsam mit dem Ortsverband organisierte Veranstaltung im JVK Fröndenberg. Volker Geyer, der Vorsitzende der Bundestarifkommission, diskutierte mit den Kolleginnen und Kollegen das Volumen der gewerkschaftlichen Forderungen. Andrea Krehl bekräftigte, dass die Rückmeldungen, die sie erhalten habe, allesamt positiv gewesen seien. Die Einbeziehung der Basis habe sich als voller Erfolg erwiesen.
Gleichzeitig appellierte die Tarifexpertin an die Delegierten, nachdrücklich dafür zu werben, für unsere gewerkschaftlichen Forderungen auch bei Streiks und Demonstrationen Präsenz zu zeigen. Dies gelte sowohl für Beschäftigte als auch für Beamte. Nur wenn große Personenzahlen auf der Straße seien, dies ist die Erfahrung aus den bisherigen Verhandlungen, wirke sich dies positiv auf die Höhe des Angebotes der Arbeitgeber aus. Und dieses Mal werde ein hoher Abschluss angestrebt. Die Inflationsrate sei bereits auf 2,5 Prozent gestiegen und gleichzeitig trübe sich die Wirtschaftskonjunktur ein. Deshalb sei es jetzt Zeit, den bestehenden Einkommensrückstand zum Bund und zur Privatwirtschaft zu reduzieren. Andrea Krehl wies darauf, dass vielleicht nur noch diese Tarifrunde die Chance biete, dieses Vorhaben zu realisieren. Sie stellte zudem klar, dass die noch relativ guten Rahmenbedingungen für einen hohen Tarifabschluss genutzt werden müssten.
Peter Brock machte darauf aufmerksam, dass auch die Beamten in dieser Tarifrunde gefordert seien, um ein optimales Ergebnis zu erreichen. „Wir müssen die gegebenen Chancen für einen hohen Abschluss nutzen und der Politik gleichzeitig verdeutlichen, dass wir eine zeitgleiche und um 1,5 Prozent erhöhte Übertragung des Tarifergebnisses auf den Besoldungs- und Versorgungsbereich fordern. Es zeichnet sich ab, dass die angestrebten strukturellen Verbesserungen für Lehrkräfte in das lineare Ergebnis der Beschäftigten eingerechnet werden. Dies muss durch den mindestens 1,5-prozentigen Aufschlag im Beamten- und Versorgungsbereich kompensiert werden. Absichten der öffentlichen Arbeitgeber, diesen Zuschlag einzusparen oder die zeitliche Anpassung der Einkommen der Beamten und Versorgungsempfänger zu strecken, werden wir uns vehement widersetzen müssen“, erläuterte der BSBD-Chef.
Zum Abschluss der Veranstaltung machte Peter Brock auf den BSBD-Gewerkschaftstag im September 2019 aufmerksam. Er erinnerte daran, dass der BSBD dann sein 70. Gründungsjubiläum begehen werde. Anfang des kommenden Jahres, so der Gewerkschafts-Chef, würden die Gremien des BSBD intensiv darüber zu beraten haben, welche Personalvorschläge dem Gewerkschaftstag unterbreitet werden sollen.
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