Die Rentenzahlungen, die gegenwärtig bereits zu einem guten Teil aus Steuereinnahmen finanziert werden müssen, sollen auf eine zukunftsfähige Grundlage gestellt werden. Die von der Bundesregierung eingesetzte Rentenkommission wird im März grundlegende Vorschläge unterbreiten, um das deutsche Rentensystem langfristig zu stabilisieren.
Aus Kreisen der Politik werden bereits Überlegungen lanciert, die Rente angesichts der nicht zu übersehenden demografischen Probleme auf eine breitere Basis zu stellen. Deshalb soll erwogen werden, Beamte und Unternehmer in das System der gesetzlichen Rente zu überführen.
Deutschland hat in den zurückliegenden Jahren regelmäßig Haushaltsüberschüsse erwirtschaftet, obwohl große finanzielle Lasten zu schultern waren. Die Stabilisierung der Euro-Zone, die Rettung der Banken und die hohen Kosten der Migration seien hier beispielhaft angeführt. Deutschland hat diese Lasten getragen, ohne dass es zu größeren Einschränkungen für die Bürgerinnen und Bürger gekommen ist.
Die Politik des billigen Geldes der Europäischen Zentralbank hat viel Geld in die Steuerkasse gespült
Möglich war dies nur deshalb, weil die Null-Zins-Politik der Europäischen Zentralbank (EZB), die Sparer enteignete und dem Staat nur geringe Steuerlasten für seine Schulden aufbürdete. Nach Aussage von Experten hat der Staat in den zurückliegenden zehn Jahren beim Schuldendienst rd. 450 Mrd. Euro erspart, während den deutschen Sparern rd. 600 Mrd. Euro mögliche Zinserträge faktisch vorenthalten wurden.
Diese Zinseinsparungen werden zwar auch in den kommenden Jahren nicht versiegen, weil die EZB ihre lockere Zinspolitik fortsetzen wird. Ansonsten gerieten viele Länder, die sich zwischenzeitlich an billiges Geld gewöhnt haben, in erhebliche finanzielle Schwierigkeiten. Diesen Zinsersparnissen stehen allerdings bereits absehbare Kosten gegenüber. Finanzminister Olaf Scholz ist wohl deshalb sehr zurückhaltend, den Haushaltsüberschuss des letzten Jahres an die Steuerzahler zurückzugeben.
Große politische Vorhaben wollen finanziert sein
Bei den Kosten ist zuerst an die teure Energiewende, zusätzliche Leistungen für die Europäische Union nach dem Austritt Großbritanniens, an die Digitalisierung, die Verbesserung der Infrastruktur, die Migration und die durch Bundeskanzlerin Angela Merkel angekündigte Transformation unserer Wirtschaft sowie die Abfederung der damit verbundenen Arbeitsplatzverluste zu denken.
Beim diesjährigen Weltwirtschaftsforum in Davos hat Angela Merkel einmal Klartext geredet, was sonst nicht ihre Art ist. Sie schwor die Wirtschaftsführer auf das Ziel ein, künftig keine Treibhausgase mehr auszustoßen und nicht vermeidbare Emissionen auszugleichen. Dies erfordere eine Transformation unserer Wirtschaft. Im Grunde müsse die „gesamte Art des Wirtschaftens und des Lebens, wie wir es uns im Industriezeitalter angewöhnt haben“, in den kommenden 30 Jahren überwunden werden. In welche Richtung wir unser durchaus angenehmes Leben verlassen sollen, sagt die Kanzlerin vorsorglich nicht, der Widerstand selbst bei den Klimabewegten könnte sonst groß werden.
Stabilisierung der Rente steht auf der Tagesordnung
Was hat das alles aber mit der Alterssicherung zu tun? Nun, wenn man sich um Reformen bemüht, sollten zumindest die Rahmenbedingungen, unter denen sie gestaltbar sind, in groben Zügen klar sein. Die gesetzliche Rente leidet derzeit unverkennbar unter der demografischen Entwicklung. Immer mehr Rentner müssen durch immer weniger Beitragszahler finanziert werden. Dieses generationenübergreifende Umlageverfahren erfordert bereits derzeit hohe Zuzahlungen aus dem Steuersäckel.
Hinzu tritt die bereits vom Grundsatz her beschlossene Grundrente, mit der erstmals von dem Grundsatz abgewichen wird, dass sich die Höhe der Rente nach den während des Erwerbslebens geleisteten Beiträgen zu richten hat. Bei der Grundrente, ein Gesetzentwurf befindet sich derzeit in der Ressortabstimmung, liegen die Koalitionsparteien über Kreuz. Die SPD will möglichst weitgehend auf eine Einkommensprüfung verzichten; die Union vertritt eine gegenteilige Auffassung. Zudem haben die neuen SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans erklärt, dass die SPD die Grundrente in Zukunft weiter ausbauen wolle.
Um vernünftige Vorschläge für die Alterssicherung nach 2030 entwickeln zu können, ist der Handlungsspielraum der Rentenkommission angesichts der bereits beschlossen rentenpolitischen Entscheidungen der Koalition erheblich eingeschränkt. Man darf gespannt sein, welche Lösungsansätze die mit Experten und Politikern besetzte Kommission vorschlagen wird.
Experte plädiert für Einbeziehung der Beamten in die gesetzliche Rentenversicherung
In den letzten Tagen ist der Wirtschaftswissenschaftler Prof. Bert Rürup mit seinem nicht gerade neuen Vorschlag an die Öffentlichkeit getreten, die Bundesregierung solle bei der anstehenden Rentenreform große Teile der Beamtenschaft in das System der gesetzlichen Rentenversicherung integrieren. In Österreich habe sich dieser Schritt bewährt. Das Rentensystem sei stabilisiert und die Rentenhöhe deutlich angehobenen worden.
Bert Rürup, der lange Zeit Mitglied und Vorsitzender der sogenannten „Wirtschaftsweisen“ war und der viele Bundesregierungen in Rentenfragen beraten hat, macht allerdings auch darauf aufmerksam, dass die Beamtenversorgung nicht hinfällig werde, wenn man künftig nur noch Angestellte einstelle. Die erworbenen Ansprüche in der Beamtenversorgung müssten bedient und finanziert werden. Daher habe Österreich eine lange Übergangsfrist bis 2040 vorgesehen. In dieser Zeit müssten neben der Beamtenversorgung auch die Arbeitgeberanteile für die Sozialversicherung getragen werden. Für Richter und Sicherheitsorgane, so der Experte, solle der bisherige Status allerdings erhalten bleiben.
Sekundiert wird Bert Rürup von Prof. Dr. Bernd Raffelhüschen von der Uni Freiburg, der nicht müde wird, vor den extrem hohen Pensionslasten zu warnen. Die Risiken der Alterssicherung werden nach seiner Auffassung allgemein deutlich unterschätzt.
Prof. Dr. Bosbach plädiert für mehr Verteilungsgerechtigkeit
Ganz anders bewertet Prof. Dr. Gerd Bosbach von der Hochschule Koblenz die Entwicklung. Der Mathematiker und Statistiker macht darauf aufmerksam, dass die demografische Verschiebung im letzten Jahrhundert größer gewesen sei, als sie für die Zukunft erwartet werde. Ein Blick auf die Bevölkerungspyramiden zeige im Übrigen, dass nicht die Staaten mit jungen Bevölkerungen wohlhabend seien, sondern jene mit älteren. Bei der demografiebasierten Fortschreibung der Versorgungslasten würden mit Hilfe statistischer Tricks angstauslösende Zahlen erzeugt. Kleine jährliche Veränderungen würden über viele Jahrzehnte zusammengefasst, Steigerungen der Produktivität blieben außen vor, ebenso die Reserven des Arbeitsmarktes. Die Logik, so Bosbach, eine höhere Lebenserwartung, mehr Rentner und weniger Menschen im Erwerbsleben erforderten massive soziale Einschnitte, bewahrheite sich im Rückblick auf das letzte Jahrhundert keinesfalls.
Die Finanzierung der Renten und die damit verbundenen Probleme, erläutert Prof. Dr. Bosbach, seien keine Folge des demografischen Wandels, sondern eine Auswirkung der Verteilungspolitik der Bundesregierung, die seit vielen Jahren besonderen Wert auf die Förderung von Großvermögen und Arbeitgebern lege und nicht so sehr auf die auskömmlich Finanzierung der Alterssicherung bedacht sei.
Zur Erläuterung seiner Auffassung führt Bosbach aus, wenn man sich das volkswirtschaftliche Ergebnis unserer moderat wachsenden Wirtschaft als Kuchen vorstelle, dann werde der Kuchen von Jahr zu Jahr etwas größer, die Anzahl der Köpfe, auf den er verteilt werden könne, bliebe hingegen gleich oder schrumpfe angesichts der demografischen Entwicklung. Wenn man nun nicht vorab das größte Stück des Kuchens den Reichen und Unternehmern überlasse, sondern gleichmäßiger verteile, dann bliebe für jeden ein größeres Stück übrig.
Zugriff auf die Versorgung würde Ziel der Landesregierung konterkarieren
Zwischenzeitlich hat selbst die Politik erkannt, dass im öffentlichen Dienst nicht übermäßig gut verdient wird. Die Landesregierung, so hat es Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) vor Jahresfrist verkündet, werde sich um die Steigerung der Attraktivität des öffentlichen Dienstes kümmern, damit auch künftig noch Nachwuchs für den öffentlichen Dienst in NRW gewonnen werden könne. Nachdem die Beamtenversorgung wohl das wesentlichste Element dafür ist, in ein Beamtenverhältnis einzutreten, wäre die Landesregierung gut beraten, nicht Hand an die Pensionen zu legen. Bei einem Systemwechsel würde es während der notwendigen Übergangszeit sehr teuer, weil Versorgungsbezüge neben dem Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung zu zahlen wären. Stattdessen gehört mehr Geld in die gesetzliche Rentenversicherung durch ein Mehr an Verteilungsgerechtigkeit; Geld genug erwirtschaftet unsere Volkswirtschaft. Jetzt ist die Politik am Zug.
Folgt man der schlüssigen und überzeugenden Argumentation des Mathematikers Bosbach, dann müsste sich die Politik nur zu etwas mehr Verteilungsgerechtigkeit durchringen, und schon könnten die Rentenprobleme gelöst werden, ohne auf Berufsgruppen mit eigenständiger Alterssicherung zugreifen zu müssen. Jetzt ist die Politik gefordert, die Kunst des Möglichen durch Nutzung der vorhandenen Möglichkeiten zu praktizieren.
Die zusätzlichen Aufwendungen, die bei einer Abkehr vom Berufsbeamtentum fällig wären, würden notwendige Investition, beispielsweise im Bildungsbereich, angesichts der ab diesem Jahr geltenden Schuldenbremse nur unnötig behindern. Für den BSBD steht fest, dass wir uns allen Bestrebungen, die Beamtenversorgung zu schrumpfen, massiv widersetzen würden. Ein Blick über die Grenze nach Frankreich lässt erahnen, wie Menschen reagieren, wenn auf ihre durch harte Arbeit erworbenen Besitzstände zugegriffen wird. Also: Hände weg von der Versorgung!
Friedhelm Sanker
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