Es hatte sich im Vorfeld der ersten Verhandlungsrunde bereits abgezeichnet: Die Arbeitgeber wollen einen Teil der Kosten der Corona-Krise durch Einschnitte bei den Personalkosten kompensieren. Dies war bereits in einem Statement Ulrich Mädges gegenüber der Frankfurter Allgemeinen deutlich geworden.
Der Verhandlungsführer der Kommunen hatte zunächst behauptet, die Gewerkschaftsforderungen seien nicht von dieser Welt, um dann anzudeuten, dass angesichts der schwierigen Finanzsituation eine Kürzung der Gehälter notwendig sei. Diese Position bestimmte auch die heutige erste Verhandlungsrunde.
Für den DBB kritisierte dessen Vorsitzender Ulrich Silberbach diese destruktive Verhandlungsführung, in dem er mahnte: „Dass die Tarifrunde schwierig wird, war sicher allen Beteiligten im Voraus klar. Ohne Mut, Fantasie sowie dem Willen und die Fähigkeit zum Kompromiss, werden wir kein akzeptables Ergebnis hinbekommen.“
Silberbach bemängelte außerdem die zynische Haltung der kommunalen Arbeitgeber, die sich im Frühjahr geradezu begeistert gezeigt hätten, wie professionell der öffentliche Dienst seinen Beitrag zur Bewältigung der Corona-Krise geleistet habe, um sich jetzt in Potsdam hinzustellen und eine Nullrunde mit langer, womöglich mehrjähriger Laufzeit zu fordern. „Einen solch dreisten Griff in den Geldbeutel der Kolleginnen und Kollegen werden wir nicht zulassen. Wir werden die Kolleginnen und Kollegen zu Protestaktionen auf den Straßen und Plätzen der Republik auffordern, um der Arbeitgeberseite klarzumachen, was die Betroffenen von den abenteuerlichen Forderungen der Kommunen halten,“ umriss der Gewerkschafter die geplanten Aktivitäten vor der nächsten Verhandlungsrunde.
Der BSBD-NRW schaut mit großem Interesse auf die aktuelle Tarifrunde
Birgit Westhoff, die den Tarifbereich im BSBD verantwortet, zeigte sich enttäuscht vom Verhandlungsauftakt: „Ich hatte schon erwartet, dass Verhandlungen während einer fortdauernden Pandemie problematisch sein würden, doch die vollständige Blockade der Gewerkschaftsforderungen durch die Arbeitgeberseite hätte ich mir nicht träumen lassen. Auf diese Weise wird kein Vertrauen geschaffen, das für konstruktive Verhandlungen unabdingbar ist.“
Die BSBD-Tarifexpertin beanstandete zudem die Horrorberechnungen, die der Verhandlungsführer der Kommunen in der Presse vertreten habe. Für die Reduzierung der Wochenarbeitszeit im Osten um eine Stunde müssten die Kommunen 330 Mio. Euro aufwenden. Dies entspreche einer Tarifsteigerung von 2,6 Prozent und sei deshalb nicht akzeptabel, erklärte Ulrich Mädge. Dabei, so Birgit Westhoff, übersehe der gute Mann eine entscheidende Tatsache, nämlich dass die Kolleginnen und Kollegen im Osten seit nunmehr 30 Jahren die Kommunen mit einer Stunde längerer Wochenarbeitszeit unterstützten und damit eine große Vorleistung erbracht hätten. Dreißig Jahre nach der Deutschen Einheit sei es an der Zeit, diese Unterstützung der Kommunen durch die Kolleginnen und Kollegen endlich zu beenden.
BSBD-Chef Ulrich Biermann bewertete den Auftakt der Verhandlungen sehr pessimistisch. Er machte deutlich, dass die Gewerkschaftsseite sehr moderat und verhalten in die Tarifrunde gegangen sei. Es sei auch nicht gleich mit Arbeitskampfmaßnahmen gedroht worden. Die jetzt seitens der Kommunen praktizierte Blockade lasse allerdings Schlimmes befürchten. Dabei seien die Kosten der Pandemie ein vorgeschobenes Argument, schließlich habe der Bund hierfür riesige Finanzierungspakete geschnürt. Zudem hätten die Kommunen in den zurückliegenden Jahren durch moderate Abschlüsse und die Niedrigzinsen regelmäßig Haushaltsüberschüsse erzielen können. „Dies nicht anzuerkennen und stattdessen auf die Einkommen der Kolleginnen und Kollegen zugreifen zu wollen, ist einfach nur schäbig“, machte Biermann die Position des BSBD deutlich.
Eines hat die Auftaktrunde der Tarifverhandlungen bereits erkennen lassen: Die Erreichung eines Abschlusses wird schwierig. Und weil die Auswirkungen der Tarifrunde auf den Bundeshaushalt zu vernachlässigen ist, die Personalkosten machen nur 10 Prozent des Gesamtbudgets aus, wird die Konfliktlinie in den Verhandlungen zwischen Kommunen und Gewerkschaften verlaufen.
Ulrich Biermann gab in Düsseldorf seiner Hoffnung Ausdruck, dass die Arbeitgeberseite sich auf eine andere Strategie besinnen werde, wenn sie durch die gewerkschaftlichen Aktionen erkennt, dass die Kolleginnen und Kollegen nichts zu verschenken haben. „Wir haben jetzt einen Vorgeschmack davon bekommen, was uns erwartet, wenn die Tarifrunde für die Bundesländer 2022 auf der Tagesordnung steht. Ich rufe deshalb alle Kolleginnen und Kollegen auf, sich an Protestaktionen zu beteiligen und unsere Kolleginnen und Kollegen beim Bund und in den Kommunen zu unterstützen, wenn der DBB zu entsprechenden Protestkundgebungen und Demonstrationen ausruft.“
Die Gewerkschaften fordern u.a. eine Einkommenserhöhung um 4,8 %, mind. 150 € bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Erhöhung der Ausbildungs- und Praktikumsentgelte um 100 €, Arbeitszeitangleichung Ost an West, Verbesserungen für den Pflegebereich sowie die Reduzierung der 41-Std.-Woche für Bundesbeamtinnen und Bundesbeamte.
Vom TVöD sind etwa 2,5 Millionen Beschäftigte direkt oder indirekt betroffen: Rund 2,3 Millionen Arbeitnehmende des Bundes und der Kommunen sowie weiterer Bereiche, für die der TVöD direkte Auswirkungen hat, sowie rund 225.000 Bundesbeamtinnen und Bundesbeamte, auf die der Tarifabschluss übertragen werden soll. Weitere Verhandlungsrunden sind für 19./20.9. und 22./23.10.2020 in Potsdam verabredet.
Friedhelm Sanker
Bild: dbb
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