Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss des Landtags erbrachte ernüchternde Ergebnisse. Die WDR-Magazine „Westpol“ und „Monitor“, das wurde vor dem Ausschuss offenkundig, haben den Tod eines syrischen Flüchtlings unter Assistenz der Landtagsopposition, dubioser Gutachter und beeinflusster Zeugen genutzt, um Polizei und Justizvollzug mit haltlosen Verdächtigungen zu überziehen. Die konstruierten Zweifel an den offiziellen Feststellungen der Staatsanwaltschaft brachen in der März-Sitzung des Ausschusses allerdings krachend in sich zusammen.
Nachdem vor zweieinhalb Jahren der 26-jährige syrische Flüchtling Amad A. in der JVA Kleve durch einen Brand zu Tode gekommen war, vermutete die Landtagsopposition von Grünen und SPD sehr schnell, daß bei diesem Vorkommnis offenbar nicht alles mit rechten Dingen zugegangen sei.
Die Nachforschungen der Opposition wichen vom Üblichen stark ab
Einen ersten Ansatz bot bereits der Umstand, dass die Polizei sich über die Identität des Amad A. irrte, als sie ihn der JVA Kleve zuführte. In der Folge befand sich der Syrer acht Wochen zu Unrecht im Gefängnis. Allein dieser Umstand diente der Opposition als Ansatzpunkt, um alle Umstände des Todes des jungen Mannes überkritisch zu hinterfragen. Dabei haben die Vollzugsbeamten alles Menschenmögliche unternommen, um Amad A. das Leben zu erhalten. Sie waren persönliche Risiken eingegangen. Die meisten der beteiligten Kolleginnen und Kollegen mussten wegen Rauchvergiftungen klinisch behandelt werden.
Die Recherchen der Opposition wären weiter nicht zu beanstanden, wäre diese Form der parlamentarischen Aufarbeitung in dieser Weise üblich. Dass war sie allerdings nicht, denn in vergleichbaren Fällen wurde nicht jeder Stein umgedreht, sondern gleich Respekt für die eingegangenen Risiken der Bediensteten signalisiert. In einem Fall wurden die Mitarbeiter einer Altenpflegeeinrichtung ohne nähere Prüfung der Brandentstehung für eine Auszeichnung vorgeschlagen.
Jeder Erklärungsversuch führte zu einer neuen Hypothese
Obwohl für Vollzugspraktiker schnell offenbar wurde, dass Amad A. den Brand nur selbst gelegt haben konnte, weil eine technische Brandursache und Selbstentzündung ausgeschlossen werden konnten, stellte die rot-grüne Opposition immer neue Arbeitshypothesen auf. Sie vermutete, dass sich aus einer Fahndungspanne der Polizei ein Gefändnisskandal entwickelt habe. Folglich wurde das übliche Verfahren verändert. Zwischenergebnisse der Verwaltungsermittlungen und der Nachforschungen der Staatsanwaltschaft wurden permanent in Zweifel gezogen.
Die Zeugenaussagen ließen dann schnell erkennen, dass die WDR-Journalisten sich dem Gegenstand ihrer Recherchen subtil und ergebnisorientiert genähert hatten. An einer journalistisch sorgfältigen Aufarbeitung waren sie weniger interessiert. Sie verfolgten vielmehr die Absicht, den Tod eines Gefangenen mit ihren technischen Möglichkeiten so aufzubereiten, dass die offiziellen Ermittlungsergebnisse immer wieder angezweifelt werden konnten.
WDR und Landtagsopposition spielten vermutlich über Bande
Die TV-Berichte des WDR nutzten dann die rechtspolitischen Sprecher von SPD und Grünen, um im Untersuchungsausschuss wilde Spekulationen über die Geschehensabläufe anzustellen. Offenkundiges Ziel schien es zu sein, die involvierten CDU-Minister Peter Biesenbach und Herbert Reul in Bedrängnis zu bringen. Allein dieses Ziel schien alle Mittel zu rechtfertigen. Dass man – quasi beiläufig – in diesem Zusammenhang auch die berufliche Integrität von Vollzugsbeiensteten beschädigte, wurde von SPD und Grünen offenbar als Kolateralschaden in Kauf genommen.
Um für die notwendige Expertise zu sorgen, warben die WDR-Mitarbeiter Gutachter an. Als Brandschutzexperte wurde Korbinian Pasedag angeheuert, der in einem „Monitor“-Beitrag vom 6. Dezember 2018 erklärt hatte, dass der Brand im Haftraum des Amad A., so wie er durch die Staatsanwaltschaft beschrieben werde, nicht möglich gewesen sei. Zudem äußerte er Zweifel, dass Amad A. erst fünfzehn Minuten nach dem Entzünden einer Matratze den Notruf betätigt habe. Allein aufgrund der Rauchentwicklung sei ein solcher Ablauf unmöglich. Die „Monitor“-Reporter unterlegten die Aussage mit weiteren Spekulationen: Womöglich habe der junge Syrer bereits früher um Hilfe gerufen und niemand habe reagiert. Außerdem müsse die Frage beantwortet werden, ob Amad A. das Feuer tatsächlich selbst gelegt habe.
Stefan Engstfeld von den Grünen und Sven Wolf von der SPD nutzten diesen „Monitor“-Beitrag, um die offiziellen Ermittlungsergebnisse mit einem „riesigen Fragezeichen“ zu versehen. Wolf stellte gar die Frage, ob Amad A. noch leben könnte, wenn man früher reagiert hätte. Nun war sie fertig, die auf reinen Spekulationen beruhende Verschwörungstheorie.
Die Aussage des WDR-Gutachters war eine einzige Peinlichkeit
Am 8. März 2021 war es dann so weit. WDR-Gutachter Pasedag musste vor dem Unterschungsausschuss Farbe bekennen. Zunächst ging es um die Kompetenzen des Gutachters. Pasedag musste vor den Parlamentariern eingestehen, dass er Fachman für Feuerlöscher sei und eine mehrtägige Fortbildung für Brandsachen absolviert habe. Als Brandexperte sei er bislang weder für den TÜV noch bei Gericht aufgetreten.
Sein Gegengutachten für den WDR beruhe auf der Auswertung von Bruchstücken des 50-seitigen Brandgutachtens des Experten der Staatsanwaltschaft. Den Brandort in der JVA Kleve habe er nie gesehen. Dieses Vorgehen ist von Kaffeesatzleserei nicht weit entfernt. Vielleicht war das auch die Absicht der WDR-Reporter, einen Gutachter zu finden, der ihre „Geschichte“ und damit die weitere Grundlage für haltlose Spekulationen bestätigte.
Der Gutachter der Staatsanwaltschaft verfügte über die erforderliche Expertise. Im Auftrag der Justiz hat er annähernd 6.000 Brandtatorte untersucht und analysiert. Für die Regierungskoalition war die Urache denn auch abschließend aufgeklärt. Oliver Kehrl (CDU) stellte fest, dass die qualifizierten Brandsachverständigen überzeugend die bisherigen Ermittlungsergebnisse bestätigt hätten, wonach das Feuer durch Amad A. vorsätzlich selbst gelegt worden sei.
Auch nach der Zeugenanhörung: Keine Entschuldigung des WDR
Das TV-Magazin „Westpol“ sendete am Sonntag nach der Zeugenanhörung nochmals einen kleinen Beitrag und stützte sich dabei auf die Aussagen eines weiteren Gegengutachters, den der Sender angeheuert hatte. Dieser Experte hatte im Untersuchungsausschuss beklagt, dass in dem Gutachten für die Staatsanwaltschaft über Suizidpläne des Amad A. spekuliert worden sei. Solche Schlußfolgerungen überschritten die Kompetenz eines Brandsachverständigen, meinte er.
Der „Westpol“-Beitrag ließ unerwähnt, dass der Gegengutachter des WDR sich in weiten Teilen mit der Anlayse des Brandschutzsachverständigen der Staatsanwaltschaft einverstanden erklärt hatte. Zudem beanstandete der Gegengutachter, dass wichtige Passagen seiner Aussage vom WDR sinnentstellend geschnitten und gekürzt worden seien. Eine Peinlichkeit für die WDR-Reporter, von ihrem eigenen Gutachter so vorgeführt zu werden. Eine Peinlichkeit war aber auch, dass der WDR den Fernsehzuschauern immer noch die belastbaren Fakten des Falles vorenthielt.
Aussage ihres Hauptbelastungszeugen wird für den WDR zum Desaster
Für die Anhörung von ehemaligen Mithäftlingen des Amad A. wechselte der Untersuchungsausschuss vom Landtag in den Hochsicherheitsbereich des Oberlandesgerichts Düsseldorf. Hier bestätigte Jan-Hendrik H. vor den Parlamentariern, was er bereits am 10. Dezember 2018 der Polizei Dortmund offenbart hatte. Er sei von WDR-Reportern vor der Kamera zu einer Falschaussage verführt worden und habe nach Abschluss des Drehs 300 € erhalten.
Am 8. Dezember 2018 hatte „Monitor“ einen tendenziösen Bericht über den Brand in der JVA Kleve ausgestrahlt und den ehemaligen Gefangenen Jan-Hendrik H. mit etlichen Interviewsequenzen sozusagen als Hauptbelastungszeugen präsentiert.
Zu Beginn des Beitrags habe er erklärt, dass am 17. September 2018 bereits gegen 19.00 Uhr ein Tumult wegen des Brandgeschehens in Zelle 143 entstanden sei. Dies war eine äußerst brisante Aussage, weil in diesem Falle, wäre die Einlassung zutreffend gewesen, die Bediensteten die Hilferufe der Gefangenen gut 20 Minuten ignoriert hätten. Dies hätte Konsequenzen bis zum Justizminister haben könne, wäre es denn tatsächlich so gewesen. Erst um 19.19 Uhr betätigte Amad A. die Rufanlage. Die Beamten reagierten, lokalisierten den Brandherd und holten den Verletzten um 19.23 Uhr unter Einsatz ihrer körperlichen Unversehrtheit aus dem Haftraum 143.
Vor den Parlamentariern erklärte Jan-Hendrik H. jetzt, dass die Reporter ihm immer wieder bestimmte Formulierungen in den Mund gelegt hätten. Der Dreh sei viele Male wiederholt worden und dann sei auch noch Zeitdruck aufgebaut worden. Aus diesen Gründen sei es zu seiner Falschaussage gekommen, was er wenige Tage später auch gegenüber die Dortmunder Polizei eingeräumt habe.
Vor den Parlamentariern erklärte Jan-Hendrik H., dass der Tumult in der JVA Kleve erst nach dem ersten Werbeblock der Sendung „Berlin Tag und Nacht“ losgegangen sei, also gegen 19.25 Uhr. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Kolleginnen und Kollegen den Gefangenen bereits geborgen.
Mit ihren Beiträgen befanden sich die Magazinmacher einmal mehr auf dem Holzweg
Die Monitor-Redaktion stand immer wieder einmal in der Kritik, Beiträge schlecht zu recherchieren oder manipulativ zu agieren. Diesem zweifelhaften Ruf hat sie mit dem Beitrag über den Brand in der JVA Kleve ein neues tendenziöses Kapitel hinzugefügt.
Obwohl die Redaktion hätte erkennen müssen, dass die Datenbasis für den Nachweis eines Justizskandals mehr als dürftig war, hielt sie daran fest. Zu verlockend war es augenscheinlich, mit Abgeordneten des Landtags über Bande zu spielen, um die politisch Verantwortlichen in Schwierigkeiten zu bringen.
Für die Strafvollzugsbediensteten war der Monitor-Bericht ein echter Schlag ins Kontor. Die Klever Kolleginnen und Kollegen waren der Überzeugung, aus Anlass des Brandes alles getan und selbst ihre Gesundheit riskiert zu haben, um dem syrischen Migranten Amad A. das Leben zu retten. Dafür hatten sie keinen besonderen Dank erwartet, außer vielleicht die ausgesprochene Wertschätzung und Anerkennung ihrer Vorgesetzten. Keinesfalls erwartet hatten sie jedoch, durch ein Fernsehmagazin öffentlich der Mitschuld an dem Tod des Syrers bezichtigt zu werden. Das Agieren der Monitor-Redaktion in dieser Angelegenheit darf man getrost als unsäglich und infam bezeichnen. Es ist gut, dass der Untersuchungsausschuss die Wahrheit über die tatsächlichen Geschehensabläufe nunmehr zutage gefördert hat.
Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit, wie sie durch den Pressekodex gefordert werden, führt in der Monitor-Redaktion augenscheinlich ein Schattendasein. Den Magazin-Verantwortlichen wäre zu wünschen, ihre bisherige Arbeitsweise kritisch zu hinterfragen und zu jenen journalistischen Grundsätzen zurückzufinden, die für ein Fernsehmagazin eines öffentlich-rechtlichen Senders selbstverständlich sein sollten. Dann jedenfalls würden ihnen Auftritte vor einem Parlamentrarischen Untersuchungsausschuss erspart bleiben, der sie der manipulativen Berichterstattung überführt.
Friedhelm Sanker
Foto: wikipedia.org
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