Die Landesregierung hat sich eine Attraktivitätsoffensive für den öffentlichen Dienst auf die Fahne geschrieben. Deshalb bemüht sich der BSBD NRW u.a. darum, den Angehörigen des Vollzugs- und Werkdienstes eine Wahlmöglichkeit zwischen freier Heilfürsorge und der Beihilfe zu verschaffen.
Auf Veranlassung der SPD-Landtagsfraktion hat zwischenzeitlich eine Anhörung des Rechtsausschusses in schriftlicher Form stattgefunden. Während sich die beteiligten Gewerkschaften für die Einführung eines Wahlrechts ausgesprochen haben, votierte der Bund der Steuerzahler vehement dagegen. Auch die Landesregierung hat erkennen lassen, dass sie durch die vorgetragenen Gründe keineswegs von der Einführung eines Wahlrechts überzeugt sei. Damit zeichnet sich ab, dass noch dicke Bretter gebohrt werden müssen, bevor wir diese Forderung durchgesetzt haben.
Die Versorgung im Krankheits- und Pflegefall für die Beamten des Vollzuges erfolgt derzeit durch Beihilfeleistungen des Dienstherrn und Eigenvorsorge durch Abschluss einer privaten Krankenversicherung, weil die Kolleginnen und Kollegen nicht der Versicherungspflicht unterliegen.
Der Sinn der freien Heilfürsorge besteht darin, eine private Krankenversicherung für die Zeit des aktiven Dienstes überflüssig zu machen. Während der aktiven Dienstzeit trotzdem ausreichend und angemessen versorgt zu sein, ist Ziel des Wahlrechts. Mit dem Erreichen des Ruhestandes würden die Berechtigten wieder in das Beihilfesystem wechseln. Das Wahlrecht sollte dabei als unwiderrufliche Möglichkeit ausgestaltet werden, sich als aktive Beamtin oder aktiver Beamter für eines dieser beiden Systeme entscheiden zu können.
Sachgründe für die freie Heilfürsorge
Durch die Einführung eines Wahlrechts zwischen dem bestehenden Beihilfesystem und der freien Heilfürsorge würde die Vergleichbarkeit der Gefährdungssituationen mit dem Polizeivollzugsdienst von der Politik anerkannt.
Strafvollzug ist soziale Arbeit im Dienst der Gesellschaft, hat aber gleichzeitig die Sicherheit der Allgemeinheit zu gewährleisten. Hieraus resultiert eine Aufgabenstellung, die ohne Konfliktsituationen kaum vorstellbar ist. Daneben führt die unter negativen Vorzeichen veränderte Gefangenenklientel zu hohen psychischen und physischen Belastungen. Der BSBD sieht es deshalb als geboten an, dass der Dienstherr die Absicherung der Beamtinnen und Beamten über die Beihilfe hinaus ausweitet und sich zur Einführung der freien Heilfürsorge entschließt, um die beruflichen Risiken für den Vollzugs- und Werkdienst nachhaltig zu entschärfen.
Den zentralen sachlichen Grund für die Einführung der freien Heilfürsorge sieht der BSBD NRW im Übrigen in dem Umstand, dass die Gefahrengeneigtheit der Tätigkeit im Vollzug nach einer vollständigen Absicherung der Beamtinnen und Beamten im Vollzugs- und Werkdienst im Krankheitsfall verlangt. Wenn Dienstherr und Allgemeinheit von diesem Personenkreis erwarten, dass sie im Konfliktfall ihre Gesundheit und körperliche Unversehrtheit riskieren, dann sollten Vollzugs- und Werkdienst auch Anspruch auf eine vollständige Absicherung dieser Risiken durch den Dienstherrn erhalten.
Eine Wahlmöglichkeit ist deshalb zu schaffen, weil die finanziellen Vorteile der freien Heilfürsorge mit zunehmendem Alter der Betroffenen abnehmen. Deshalb erscheint es geboten, die Betroffenen nicht einfach und alternativlos auf ein System zu verpflichten.
Mit dem Wahlrecht strebt der BSBD NRW im Grundsatz eine Steigerung der finanziellen Attraktivität des Vollzugs- und Werkdienstes an. Durch eine solche Strukturmaßnahme ließe sich die angespannten Nachwuchsgewinnung deutlich verbessern.
Steigerung der Attraktivität
Das Berufsfeld des Vollzuges, würde durch den Wegfall des finanziellen Aufwandes zum Abschluss einer privaten Krankenversicherung deutlich an Attraktivität gewinnen. Gerade für das Werben um „die besten Köpfe“ wäre dies ein nicht zu unterschätzender Vorteil.
Durch die Einführung eines Wahlrechts würde sich für die in die freie Heilfürsorge wechselnden Beamtinnen und Beamten der finanzielle Aufwand durch den Wegfall der derzeit anfallenden Versicherungsprämien für eine private Krankenversicherung deutlich reduzieren. Die Prämienzahlung für privaten Krankenversicherungen für Ehe – beziehungsweise Lebenspartner sowie Kinder blieben allerdings erhalten.
Eventuell anfallende Kosten einer „Anwartschaftsversicherung“ für die Rückkehr in die Beihilfe bei Eintritt in den Ruhestand sind gegenwärtig so gering, dass sie nicht weiter ins Gewicht fallen.
Eine Vorleistung der Beamtinnen und Beamten gegenüber den Leistungserbringern würde ebenfalls wegfallen, ebenso die Einreichung der Rechnungen bei der zuständigen Beihilfestelle. Die Leistungen der freien Heilfürsorge würden seitens des Dienstherrn als Sachleistung erbracht.
Die Gefahrensituation im Vollzug ist der von Polizeivollzugsbeamten vergleichbar
Die gesundheitlichen Gefährdungen der Beamtinnen und Beamten des Vollzugs- und Werkdienstes haben zwischenzeitlich ein Niveau erreicht, das hinsichtlich Häufigkeit und Intensität durchaus mit den Verhältnissen im Polizeivollzugsdienst vergleichbar ist. Die Gesundheits- und Verletzungsrisiken haben sich in den zurückliegenden zehn Jahren deutlich und spürbar erhöht.
Die Wahrnehmung des gesetzlichen Auftrages und die Umsetzung des Resozialisierungsgedankens wird besonders erschwert durch den Umstand, dass sich die Zahl der gewaltbereiten und psychisch auffälligen Delinquenten massiv erhöht hat. Hierdurch werden die betroffenen Kolleginnen und Kollegen zwangsläufig erheblichen gesundheitlichen Gefahren ausgesetzt.
Der Arbeitsalltag im Justizvollzug besteht nahezu unausgesetzt aus dem Umgang mit dieser teilweise gefährlichen Klientel. Hierzu zählen Angehörige der organisierten Kriminalität, Terroristen, Mörder, Brandstifter ebenso wie Gefangene mit zahlreichen psychischen Auffälligkeiten.
Für die Kolleginnen und Kollegen wird der Dienst durch eine unterschwellig psychisch belastende Grundsituation geprägt. Daneben ergeben sich durch die Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung und die Anwendung von unmittelbarem Zwang spezifische Gefährdungsmomente, die auch gesundheitliche Risiken beinhalten.
Den Gefangenen gelingt es nicht selten, sich aus Alltagsgegenständen Waffen herzustellen, die sie in Konfliktsituationen auch einsetzen. Dies und die zunehmende Anzahl von psychiatrisch auffällig Gefangenen, stellen gegenwärtig ein kaum kalkulierbares Gefährdungspotenzial dar.
Die Mehrkosten wären überschaubar
Es werden Mehrkosten für den Landeshaushalt entstehen, die jedoch noch nicht definitiv benannt werden können, weil sie von der konkreten Ausgestaltung der freien Heilfürsorge abhängig sind. Von dem einzuräumenden Wahlrecht könnten maximal rund 7.000 Bedienstete Gebrauch machen.
Einen Anhalt für die Berechnung der Zusatzkosten könnten die beim Innenministerium vorhandenen Erfahrungswerte für die Polizeivollzugskräfte liefern. Der BSBD NRW sieht die Mehrkosten als durchaus überschaubar an. Sie sollten kein Hinderungsgrund für die Einführung der freien Heilfürsorge sein.
Die Vor- und Nachteile eines Wahlrechts
Die Vorteile bestehen ganz klar in der finanziellen Entlastung der Betroffenen, die in der Phase der Existenz- und Familiengründung bessergestellt würden. Als nachteilig kann sicherlich das potenziell unterschiedliche Leistungsniveau zwischen Beihilfe oder freier Heilfürsorge angesehen werden. Deshalb plädiert der BSBD NRW eben auch für ein Wahlrecht, damit die Kolleginnen und Kollegen selbst über die für individuell günstigste Absicherung für den Krankheitsfall entscheiden können.
Die Auswirkungen des unterschiedlichen Leistungsniveaus sind den betroffenen Beamten offen und transparent darzustellen, damit sie ihr Wahlrecht verantwortlich ausüben können. In diesem Kontext dürfen wir auf die Verhältnisse in Baden-Württemberg Bezug nehmen. Dort sind die Kolleginnen und Kollegen mit einer umfangreichen Broschüre zur Wahlmöglichkeit, über die Risiken und Vorteile aufgeklärt worden.
Die Kosten für die private Krankenversicherung bei Beihilfeberechtigten betragen je nach Umfang, Alter und abzusichernder Höhe zwischen 200 € und 400 €. Ein Wegfall dieses finanziellen Aufwandes wäre ein großer Vorteil und ein erheblicher Anreiz für die Gewinnung zusätzlichen Personals.
Die freie Heilfürsorge genießt im Justizvollzuges ein hohes Ansehen. Die Wahlmöglichkeit würde daher sicherlich auch zu einer gesteigerten Arbeitszufriedenheit beitragen.
In Baden-Württemberg soll sich n ach deren Einführung circa 50 Prozent der Beamtinnen und Beamten für die freie Heilfürsorge entschieden haben. Angestellte Hochrechnungen gehen davon aus, dass sich im Laufe der Zeit etwa 90 Prozent der Kolleginnen und Kollegen im Justizvollzug für dieses Modell entscheiden werden.
Fazit
Die schwarz-gelbe Landesregierung hat im Rahmen der Beratungen des Rechtsausschusses des Landtags keine großen Neigungen erkennen lassen, die gewerkschaftlichen Vorstellungen umzusetzen. Sie argumentiert, dass notwendigerweise Doppelstrukturen für die Abrechnung geschaffen werden müssten und auf diese Weise vermeidbare Bürokratie entstehe.
Zudem sei die freie Heilfürsorge an sich ein Auslaufmodell, die ursprünglich für kasernierte Polizeikräfte geschaffen worden sei. Da Kasernierungen aber kaum noch erfolgten, sei dieses Modell praktisch ein Anachronismus. Viele Polizeibeamte, erläuterte das zuständige Ministerium, plädierten vielmehr für eine Mitgliedschaft in einer privaten Krankenversicherung.
Diese Auffassung der von einer Parlamentsmehrheit getragenen getragenen Landesregierung lässt erahnen, dass künftig noch massive Überzeugungsarbeit zu leisten sein wird, um den erforderlichen Handlungswillen bei der Politik zu erzeugen. BSBD-Chef Ulrich Biermann kommentierte die Beratungen dahingehend, dass sich der BSBD NRW durch die Haltung der Landesregierung nicht entmutigen lassen werde. „Wir haben eine strukturelle Maßnahme aufgezeigt, um die zwingend erforderliche Attraktivitätssteigerung des Vollzugsdienstes zu fördern. Wenn die Landesregierung diese Möglichkeit nicht nutzen will, dann steht sie in der Verantwortung, Alternativen zu entwickeln, um die Berufsperspektiven der Strafvollzugsbediensteten spür- und kalkulierbar zu verbessern“, formulierte Ulrich Biermann die Vorstellungen der Gewerkschaft Strafvollzug.
Friedhelm Sanker
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