Mit welcher Rigorosität und Inbrunst die Identitätsdebatte geführt wird, das trägt mitunter schon religiöse Züge. Von vielen der geschlechtsspezifischen Identitäten sind dabei vielfach nur wenige hundert Personen betroffen; trotzdem wird unnachgiebig auf Einzelfallgerechtigkeit gepocht.

Die Mehrheitsgesellschaft soll sich mit dem Schicksal dieser Menschen befassen und Sonderregelungen schaffen, die in vielen Fällen lediglich auf dem subjektiven Empfinden der Betroffenen aufsetzen. Berlin hat die Überarbeitung seiner Vollzugsgesetze jetzt zum Anlass genommen, die Haftbedingungen für trans- und intergeschlechtliche Personen neu zu regeln.

Selbst die von einer linken Koalition getragene Landesregierung tat sich schwer, die reine Lehre durchzusetzen. Nach einjähriger Diskussion stand am Ende ein Kompromiss. Die bislang übliche Geschlechtertrennung in den bundesdeutschen Gefängnissen gilt in Berlin nicht mehr in dieser Ausschließlichkeit. Die Vollzugsgesetze sehen nunmehr vor, dass die Berliner Justiz im Rahmen von Einzelfallentscheidungen bei trans- und intersexuellen Straftätern vom Trennungsgebot abweichen kann. Den Betroffenen soll die Möglichkeit eröffnet werden, selbst mit darüber befinden zu dürfen, ob sie in einer Vollzugseinrichtung für Männer oder Frauen untergebracht werden.

Sollen die Diskriminierungsrisiken getauscht werden?

Dem Berliner Vollzug wird es künftig möglich sein, einen transsexuellen Mann in einem Frauengefängnis unterzubringen, obwohl der Betreffende administrativ als Mann geführt wird. Als Grund für diese Gesetzesänderung werden Fälle von ganz wenigen Diskriminierungen angeführt, die sich in der Vergangenheit in bundesdeutschen Vollzugseinrichtungen zugetragen haben.

Der Bundesverband Trans hat die Gesetzesänderungen begrüßt und darauf aufmerksam gemacht, dass trans-, intergeschlechtliche und nicht binäre Personen im Strafvollzug immer eine vulnerable Gruppe darstellten, die in besonderer Weise gewaltgefährdet sei. Deshalb sei es eine Errungenschaft, dass diese Personengruppe bei ihrer Unterbringung nunmehr mitbestimmen könne, wenn der Geschlechtseintrag von der geschlechtlichen Identität abweiche.

Der Berliner Senat hatte zunächst Bedenken gegenüber dem Vorhaben

Der Senat war zunächst skeptisch gegenüber der Gesetzesvorlage der Landesregierung. Nach langwierigen Verhandlungen einigte sich die Senatsmehrheit jedoch auf einen Kompromiss. In die Vollzugsgesetze wurde eine Formulierung aufgenommen, dass bei den zu treffenden Einzelfallentscheidungen auch die Bedürfnisse der übrigen Gefangenen zu berücksichtigen seien. Was das konkret für die vollzugliche Praxis bedeutet, ist bislang unklar.

Bisher war es in den Vollzugseinrichtungen geübte Praxis, trans-, intergeschlechtliche und nicht binäre Personen entsprechend dem Geschlechtseintrag unterzubringen und ihnen einen Betreuer oder eine Vertrauensperson für den Fall von Diskriminierungen beizuordnen. Da es sich um eine überschaubare Zahl von Betroffenen handelt, haben diese Einzelfälle kaum Probleme verursacht.

Werden die Betroffenen jetzt in die Entscheidungen einbezogen, besteht die Gefahr, dass die Gruppe der vulnerablen Personen deutlich erhöht wird, weil Frauen vermehrt mit transsexuellen Frauen untergebracht werden könnten, die noch alle biologischen Merkmale eines Mannes aufweisen. Dass Frauen sich durch eine solche Praxis bedroht fühlen können, dürfte auf der Hand liegen.

Erfahrungen aus dem anglo-amerikanischen Rechtsbereich wenig ermutigend!

In den USA, in England und Wales hat man bereits Erfahrungen mit dieser Form der Unterbringung gesammelt und die haben sich nicht gerade als positiv erwiesen. Betroffene berichten darüber, dass sie sexuell belästigt worden seien und Männer sich vor ihnen entblößt hätten, die noch über ihre männlichen Geschlechtsmerkmale verfügten. Man habe ständig in Angst gelebt, weil man gewusst habe, dass sie keine Frauen sind. Die Frauen hätten die Situation durchgängig als körperlich bedrohlich und aggressiv erlebt.

Überbordende Identitätspolitik gefährdet gesellschaftlichen Zusammenhalt

Dieser neuerliche Auswuchs der allgemeinen Identitätspolitik ist offenbar dem Zeitgeist geschuldet, der mehr auf Individualisierung als auf Gemeinsamkeit setzt. Dabei ist eine funktionierende Demokratie auf ein Mindestmaß an Gemeinsamkeit und Zusammenhalt angewiesen, wenn die grundlegenden gesellschaftlichen Werte nicht gänzlich zur Verhandlungsmasse verkommen sollen, die täglich neu ausgehandelt werden müssen. Denn eines sollte uns bewußt sein: Wo grundlegende Rechte in Frage gestellt werden, gelten Ausnahmen für abweichende Identitäten auch nichts mehr.

Der BSBD-Vorsitzende Ulrich Biermann hat das Berliner Beispiel in Düsseldorf kritisiert: „Den Bundesländern ist zu empfehlen, sich an Berlin kein Beispiel zu nehmen. Die Unterbringung in einer Zwangsgemeinschaft ist eine überaus sensible Angelegenheit, weil man Menschen zwingt, sich einer Situation zu stellen, der sich der Einzelne nicht entziehen kann. Wenn man wirklich die Auffassung vertritt, dass der bisherige Umgang mit dem Problem inakzeptabel ist, dann sollte man für diesen überschaubaren und sehr kleinen Personenkreis Sondereinrichtungen schaffen, die ihren Bedürfnissen entsprechen. Eine große Zahl von Frauen allerdings mit diesem Unterbringungsproblem zu konfrontieren, beeinträchtigt die Rechte dieser Frauen massiv. Der BSBD NRW hält eine solche Regelung, wie sie die Berliner Vollzugsgesetze jetzt vorsehen, für völlig verfehlt und unvertretbar!“

Friedhelm Sanker

Foto: ©philipk76 - stock.adobe.com

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Von BSBD NRW

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