Anfang der kommenden Woche findet die 2. Verhandlungsrunde in Potsdam statt. Nach dem mehr als enttäuschenden Auftakt der Tarifrunde müssen wir darauf vorbereitet sein, dass die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) ihren bislang destruktiven Kurs fortsetzen wird. Die Arbeitgeber sind offenbar entschlossen, den Kolleginnen und Kollegen, die durch Inflation und Null-Zins-Politik gegenwärtig schleichend enteignet werden, einen weiteren Kaufkraftverlust zuzumuten.

Sie stellen sich offenbar vor, Verschlechterungen bei den Eingruppierungen ebenso durchsetzen zu können, wie eine nur geringe lineare Anpassung der Gehälter. Dabei haben selbst die Arbeitgeber in den Zeiten der Pandemie bekundet, die Leistungen des öffentlichen Dienstes müssten besser gewürdigt und anerkannt werden. Wertschätzung müsse sich auch im Portemonaie bemerkbar machen. Wer solche Einsichten äußert, in Tarifverhandlung aber nur blockiert, der disqualifiziert sich in seiner Funktion als Arbeitgeber selbst.

Die Politik ist derzeit bemüht, eine neue Regieung zu bilden. Viele Projekte sind zwischenzeitlich benannt. Ob es nun den Klimaschutz, die Infrastrukltur, die Rente oder die Digitalisierung betrifft, alle Vorhaben eint der Umstand, dass sie sehr kostpielig daherkommen. Wie das bezahlt werden soll und wer den Großteil der Zeche zu zahlen hat, lassen die potentiellen Koalitionäre wohlweislich im Dunkeln.

Wird Deutschland auch künftig darauf bestehen, dass jedes Land seine eigene Schuldenlast trägt?

Erkennbar ist allerdings bereits, dass die bisherige deutsche Haltung, auf einer stabilen, soliden Haushaltsführung sowohl beim Bundes- als auch beim EU-Haushalt zu bestehen, modifiziert werden könnte. Damit könnte zukünftig der Weg für die gemeinschaftliche Haftung für Schulden und Verpflichtungen freigemacht werden, was Deutschland bislang immer als Sakrileg angesehen und mit den Maastricht-Verträgen faktisch ausgeschlossen hatte.

Die Freidemokraten bestehen formal auf die Einhaltung der Schuldenbremse. Da die vielen angedachten Investitionen allerdings bezahlt sein wollen, ist Kreativität bei den Finanzen gefragt. Kommt es auch in Deutschland zu einer wesentlichen Ausweitung der Schuldenaufnahme, wird die Europäische Zentralbank (EZB) ihre lockere Geldpolitik fortsetzen müssen, damit sich hoch verschuldete Eurostaaten weiter günstig finanzieren können und auch Deutschland wird dann auf niedrige Zinsen angewiesen sein. Für den Sparer hat dies die unselige Konsequenz, für sein eingesetztes Kapital auf dem Sparkonto langfristig keine Rendite mehr erzielen zu können.

Dabei hat der ehemalige Bundesverfassungsrichter Paul Kirchhof schon mal gewarnt: Durch die EZB festgesetzte negative Nominalzinsen bewirkten, dass Eigentum von privater in die öffentliche Hand überführt werde. Wenn die EZB an einer Inflationsrate von zwei Prozent festhalte, dann komme dies der regelmäßigen Minderung des Geldeigentums um zwei Prozent gleich. Damit werde die Garantie des Privateigentums durch die Verfassung verletzt.

Was bedeutet dies für die laufende Tarifrunde?

Wirtschaftsexperten haben bereits jenen Poltikern widersprochen, die uns erklären wollten, die stark steigende Inflation sei ein vorübergehendes Phänomen, das sich in wenigen Wochen erledigen werde. Die Ökonomen sehen vielmehr die lockere Geldpolitik der EZB als Treiber für eine anhaltende Inflation auf hohem Niveau. Diese Entwicklung wird flankiert von explosionsartig steigenden Strom- und Heizkosten und auch der Spritpreis wird mit der 2022 steigenden CO2-Abgabe wohl demnächst die Zwei-Euro-Marke reißen.

Das Einzige, das dieser Entwicklung entgegenwirken kann, sind steigende Gehälter. Wir sind gemeinsam gehalten, unsere Arbeitskraft möglichst teuer zu „verkaufen“, um die absehbaren Kostensteigerungen ohne großen Wohlstandsverlust tragen zu können.

Nun präsentiert sich die Gewerkschaftsbewegung nicht gerade in bestechender Form. Die DGB-Gewerkschaften haben seit 1991 die Hälfte ihrer Mitglieder verloren. Viele Berufe und Berufsbilder gibt es einfach nicht mehr. Schröders Agenda hat dann dafür gesorgt, dass die prekäre Beschäftigung drastisch stieg, dass Werkverträge, Leiharbeit und befristete Beschäftigung reguläre Beschäftigungsverhältnisse verdrängten. Diese Entwicklung wirkte disziplinierend. Jeder musste um den Erhalt seiner Arbeit fürchten. Konsequenz: Die Einkommen abhängig Beschäftigter sanken im Vergleich zu unseren europäischen Nachbarn. Einzig die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes konnten ihre Mitgliederzahlen halten. Dadurch wächst uns in der aktuellen Situation aber auch eine besondere Verantwortung zu.

Arbeitgeber müssen gezwungen werden, die Realitäten anzuerkennen!

Gewerkschaften entfalten Macht durch solidarische Gemeinschaft bei Streik, Widerstand und Demonstrationen. Dieses Wir, das ein gemeinsames Ziel spürbar werden lässt, war in den letzten achtzehn Monaten pandemiebedingt nicht präsent. Wir sind uns aber sicher, dass wir unsere Forderungen für die Arbeitgeber sichtbar auf die Straße tragen können. Wir müssen der Arbeitgeberseite verdeutlichen, dass sie ein hohes Risiko eingeht, wenn sie dem öffentlichen Dienst vorenthalten will, worauf dieser einen Anspruch hat, nämlich die Teilhabe an der allgemeinen Einkommensentwicklung.

Der Verhandlungsbeginn hat bereits angedeutet, dass es ohne Warnstreiks, ohne große Demonstrationen nicht gehen wird, die Arbeitgeber nachdrücklich zu beeindrucken. Die Verhandlungen werden vom DBB und Ver.di gemeinsam geführt. Und wir alle sind aufgerufen, unseren Beitrag zu leisten, damit wir unsere Verhandlungskommissionen unterstützen, bei den Tarifverhandlungen ein gutes Ergebnis zu erzielen.

Wir sind gewerkschaftlich organisiert, weil wir uns nicht wie Click- und Crowdworker zu Hungerlöhnen verdingen wollen. Wir sind Gewerkschafter, weil wir mit Stolz auf unsere Leistungen blicken und dafür ein angemessenes, auskömmliches Einkommen durchsetzen wollen. Wir sind Gewerkschafter, weil wir uns nicht in Start-ups der Selbstausbeutung hingeben, wo selbstverständlich am Wochenende und ohne Blick auf die Überstunden gearbeitet wird. Dabei finden sich Menschen in solchen Arbeitsverhältnissen meist hipp und modern und sie wachen erst auf, wenn die Eigentümer Kasse machen und sie leer ausgehen. Vielleicht erhalten sie dann noch ein Dankeschön für ihren Einsatz. In diesem Fall wären sie sicher froh, eine streitbare Gewerkschaft an ihrer Seite zu wissen. Doch dann ist es zu spät.

Lassen wir es deshalb gar nicht so weit kommen. Seien wir vorbereitet, unseren berechtigten Forderungen durch Präsenz auf den Straßen und Plätzen der Republik Nachdruck zu verleihen. In dieser Tarifrunde muss es unser Ziel sein, einen Abschluss nahe an der Höhe unserer Forderung zu erreichen. Wir verlangen 5 Prozent, mindestens 150 Euro!

Friedhelm Sanker

Foto: BSBD NRW


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Von BSBD NRW

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