Am kommenden Wochenende findet die 3. Verhandlungsrunde der Gewerkschaften mit den Vertretern der Tarifgemeinschaft deutscher Länder in Potsdam statt. Bislang haben die öffentlichen Arbeitgeber auf einer Neuregelung des Begriffs „Arbeitsvorgang“ bestanden. Dies sei Voraussetzung dafür, dass konkret über die Anpassung der Gehälter gesprochen werden könne.

Dabei muss auch den öffentlichen Arbeitgebern klar sein, dass diese Forderung für die Gewerkschaften ein absolutes No-Go darstellt. Die von den Arbeitgebern geforderte Änderung würde sich auf viele Eingruppierungen negativ auswirken. Der galoppierenden Inflation und den absehbaren Kostensteigerungen im Energiebereich können wir nicht ausweichen. Deshalb sind wir auf einen guten Tarifabschluss zwingend angewiesen. Raum für Zugeständnisse, wie sie die Arbeitgeber fordern, ist für die Gewerkschaften folglich nicht vorhanden. Jetzt gilt es, die Arbeitgeber in die Pflicht zu nehmen, ein akzeptables Angebot auf den Tisch zu legen, damit der Gordische Knoten des Verhandlungsstillstands endlich durchschlagen werden kann.

Um Druck auf die Tarifgemeinschaft deutscher Länder auszuüben, hat der dbb beamtenbund und tarifunion für den 25. November 2021 zu einer landesweiten Protestveranstaltung vor dem nordrhein-westfälischen Landtag in Düsseldorf aufgerufen. Viele Anmeldungen deuten darauf hin, dass auch die Vollzugler in bislang nicht gekannter Größenordnung ihre Wut und Empörung öffentlich zum Ausdruck bringen wollten. Trotzdem hat die BSBD-Landesleitung nach langen Beratungen und Abwägungen im Rahmen einer Online-Sitzung die Entscheidung getroffen, die Teilnahme des BSBD NRW abzusagen. Ursächlich für diese Entscheidung ist die rasante Entwicklung der pandemischen Lage.

Im Vollzug ist Prophylaxe gefordert

Sachsen, Baden-Württemberg und Bayern ächzen unter sehr hohen Inzidenzzahlen, die wir in wenigen Tagen voraussichtlich auch in Nordrhein-Westfalen sehen werden. Auch bei uns steigen die Infektionszahlen exponentiell. In dieser Lage muss alles getan werden, um nicht zu viele Infektionen im Vollzug entstehen zu lassen. In den Gefängnissen, in denen Zwangsgemeinschaften in räumlicher Enge zusammenleben, würden Infektionen sehr schnell unbeherrschbar. Nach Auffassung der BSBD-Landesleitung ist deshalb Kontaktreduzierung das Gebot der Stunde, zumal der Vollzug einen speziellen Arbeitsbereich darstellt, der es auch mit vulnerablen Personen zu tun hat.

Wenn wir als Gewerkschaft nicht verantwortlich zur Vermeidung gesundheitlicher Risiken zu Lasten unserer Kolleginnen und Kollegen handeln, wer dann? Die BSBD-Landesleitung hat sich dabei von der Überlegung leiten lassen, dass Infektionen, sind sie erst einmal in nennenswerten Umfang vorhanden, im Vollzug nur schwer gestoppt werden können. Die aktuell vierte Infektionswelle lässt sich nach unserer festen Überzeugung nur brechen, wenn Kontakte beschränkt werden.

Zwar sind viele Kolleginnen und Kollegen geimpft, doch fällt unser Protest in eine Zeit, in der die Impfstoffe langsam ihre Schutzwirkung gegen Infektionen verlieren. Und da auch Geimpfte das Virus übertragen können, wäre der enge Kontakt der Kolleginnen und Kollegen bei der An- und Abreise sowie anlässlich der Demonstration mit unkalkulierbaren Risken verbunden.

Die Fahrt mit Bussen oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln sowie die wahrscheinlich doch engen Kontakte während der Demo wären risikoreich und auch durch die bekannten Hygieneregeln nicht zu beherrschen. Erschwerend ist, dass wir es auf Bundesebene offenbar mit einem Entscheidungsnotstand zu tun haben. Die künftige Koalitionsregierung hat die geschäftsführende Bundesregierung um Zurückhaltung in Fragen der Pandemie gebeten. Selbst hat sie die pandemische Notlage des Landes für beendet erklärt und will das Parlament stärker in die Entscheidungsprozesse einbinden. Damit werden kurz- bis mittelfristig keine schnellen Reaktionen auf die Infektionsentwicklung mehr möglich sein. Umso wichtiger ist es deshalb, keine unkalkulierbaren Risiken einzugehen.

Von den öffentlichen Arbeitgebern fordern wir ein akzeptables, abschlussfähiges Tarifangebot

Weil die laufenden Tarifverhandlungen für uns eine solch überragende Bedeutung haben, waren wir bis vor wenigen Tagen noch fest entschlossen, den öffentlichen Arbeitgebern den Willen der Kolleginnen und Kollegen auch zum Arbeitskampf im Rahmen einer machtvollen Demonstration und im Schulterschluss mit den anderen DBB-Gewerkschaften in Düsseldorf zu verdeutlichen. Leider lässt die pandemische Lage und deren absehbare Entwicklung nach Überzeugung der BSBD-Landesleitung eine Absage unserer Teilnahme als alternativlos erscheinen.

Der BSBD NRW bedankt sich recht herzlich für das außerordentlich große Interesse an der Protestveranstaltung. Es bringt zum Ausdruck, dass die seit 28 Jahren höchste Inflation und die bereits absehbaren Kostensteigerungen eine Schmerzgrenze überschritten haben. Wir sind von solchen Kostensteigerungen unmittelbar betroffen und folglich zwingend auf einen auskömmlichen Tarifabschluss angewiesen.

Mit örtlichen Aktionen den Unmut in die Öffentlichkeit tragen

Unsere Tarifexpertin Birgit Westhoff freut es besonders, dass sich spontan Kolleginnen und Kollegen aus verschiedenen Ortsverbänden gefunden haben, die mit kleinen, gezielten Einzelaktionen ihre Wut über die bisherige Verweigerungshaltung der Tarifgemeinschaft deutscher Länder zum Ausdruck bringen wollen.

Der BSBD NRW wird diese spontanen Einzelaktionen vor Ort nachdrücklich unterstützen. Lasst uns unseren Unmut und unsere Empörung über die Arbeitgeberseite deutlich zum Ausdruck bringen. Es ist nämlich nicht akzeptablel, konsensbasierte Verhandlungen durch einseitige Blockade zu torpedieren. Die Ortsverbände werden zusammen mit unserer Tarifvertreterin Birgit Westhoff diese Aktionen organisieren.

Zwangsläufig erhebt sich jetzt die Frage: Warum das eine tun, die Teilnahme an einer Großdemo aber lassen? Die Antwort ist ganz einfach. Im Rahmen der ortsspezifischen Aktionen bewegt man sich in demselben Umfeld, in dem man auch seine Arbeit verrichtet. Deshalb besteht hier ein deutlich reduziertes Infektionsrisiko.

Warnstreiks müssen Arbeitgeber belasten, sonst sind sie kein effektives Druckmittel

Verschiedentlich sind unsere Mitglieder aufgefordert worden, ihre Gewerkschaft zu bitten, ihnen die Teilnahme an Warnstreiks zu ermöglichen. Insoweit haben wir eine Abwägung vorgenommen, weil ein Warnstreik aus Mitgliedsbeiträgen bezahlt werden muss. Ein Warnstreik sollte daher effizient und in der Lage sein, den angestrebten Erfolg, nämlich die Arbeitgeberseite zu beeindrucken, auch tatsächlich erreichen zu können.

Im Vollzug sind nur relativ wenige Kolleginnen und Kollegen als Tarifkräfte beschäftigt, deshalb ist die Wirkung, die mit Warnstreiks erzielt werden kann, überschaubar. Da ist das Geld unserer Mitglieder besser in Bereichen eingesetzt, in denen ein für die öffentlichen Arbeitgeber spürbarer Effekt erzielt werden kann. Ein Warnstreik muss schließlich Druckmittel sein.

Anders sieht es aus, wenn unsere Forderungen nach einer Urabstimmung im Wege der Arbeitsniederlegung erkämpft werden müssen. In diesem Fall würde sich das Justizvollzugskrankenhaus NRW in Fröndenberg für eine Beteiligung anbieten. Bei einem längeren Streik würde sich auch eine öffentlich wahrnehmbare Wirkung erzielen lassen. Deshalb bereitet der BSBD NRW eine solch mögliche Beteiligung am Arbeitskampf derzeit organisatorisch vor.

Friedhelm Sanker

Foto: Cevahir/stock.adobe.com

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Von BSBD NRW

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