Am vergangenen Freitag ist ein Kollege während eines Sicherheitseinsatzes in einem Haftraum verletzt worden, obwohl er sich durch den vollständigen Körperschutzanzug bestens geschützt wähnte. Dem Gefangenen, dem der Einsatz galt, ist es gelungen, das geschlossene Visier des Sicherheitshelms hochzuschieben. Anschließend versuchte er, den Kollegen mit einem Einwegrasierer zu verletzen.
Dass diese Absicht nicht zu erheblichen Verletzungen führte, ist der beherzten Gegenwehr unseres Kollegen zu verdanken Dieser Vorfall lässt Zweifel am optimalen Schutz des Kopfes bei entsprechenden Einsätzen aufkommen. Der BSBD NRW hat das Ministerium deshalb gebeten, den perfekten Sitz des Helms und dessen ausreichende Schutzwirkung überprüfen zu lassen.
Der Gefangene hatte bereits in der JVA Dortmund einen Bediensteten attackiert. Deshalb und wegen seiner psychischen Auffälligkeiten war er in Münster auf einer Sonderabteilung untergebracht, wo für den Eventualfall zusätzliches Personal zur Verfügung steht. Nach Beendigung des Arbeitsprozesses machte der Gefangene durch Treten gegen die Haftraumtür lautstark auf sich aufmerksam. Er wurde durch zwei Bedienstete aufgesucht, die sich nach seinem Begehren erkundigten. Der Gefangene verlangte ultimativ zum Einzelduschen gebracht zu werden.
Ein Kollege vermutete aufgrund der unnatürlichen Körperhaltung des Gefangenen, dass dieser einen gefährlichen Gegenstand in seiner Hand verborgen hielt. Weil er zudem emotional äußerst erregt war, und ein aggressiver Ausbruch befürchtet werden musste, vertrösteten die Bediensteten den Gefangenen und verließen dessen Haftraum.
Das weitere Vorgehen wurde sodann mit dem Sicherheitsdienst diskutiert. Anschließend wurde die kurzzeitige Unterbringung des Gefangenen in einem besonders gesicherten Haftraum angeordnet. Zwei Kollegen zogen sich daraufhin aus Gründen des Selbstschutzes Körperschutzanzüge an und begaben sich anschließend zum Haftraum des Gefangenen.
Als sie den Raum betraten, hatte der weiter hochgradig erregte Gefangene den Schrank in die Mitte des Raumes geschoben, um die Bewegungsfreiheit zu behindern. Er sprang auf das neben dem Schrank befindliche Bett. Seine erhöhte Position ermöglichte es ihm, nach dem Visier des nächststehenden Kollegen zu greifen. Es gelang ihm wider Erwarten, das Visier zu öffnen und dem Kollegen oberflächige Verletzungen mit einem Einwegrasierer beizubringen. Der Bedienstete äußerte später den Verdacht, dass es vermutlich die Absicht des Gefangenen gewesen sei, ihn ernsthaft im Bereich seiner Augen zu verletzen.
Seiner Geistesgegenwart und seiner entschlossenen Gegenwehr hat es der Kollege zu verdanken, dass er sich dem Zugriff des Gefangenen schnell entziehen konnte. Aufgrund der erlittenen Verletzungen ist unser Kollege dienstunfähig. Seitens der Münsteraner Einrichtung wurde sichergestellt, dass dem Betroffenen ein Ansprechpartner der Sozialen Notfallversorgung zur Aufarbeitung der Sicherheitsstörung zur Verfügung steht.
Als Vollzugler versieht man seinen Dienst in der Überzeugung, für alle möglichen Routinefälle gewappnet zu sein. Für Ausnahmefälle existiert eine ausgefeilte Sicherheitsarchitektur. Tritt so ein Fall ein und man gerät selbst in Gefahr, dann führt dies vielfach zu tiefen psychischen Erschütterungen, die erst verarbeitet sein wollen.
Der BSBD NRW wünscht dem betroffenen Kollegen eine vollständige Wiederherstellung seiner körperlichen und geistigen Gesundheit.
Friedhelm Sanker
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