Seit dem Ausbruch von Putins Krieg gegen die Ukraine steigen die Energiekosten in bislang ungekanntem Ausmaß. Für die Bürgerinnen und Bürger, die die Zeche wieder einmal zahlen müssen, ist dies mittlerweile eine existentielle Frage geworden. Wir gehen immer davon aus, dass der Preis durch Angebot und Nachfrage bestimmt wird. Doch im Fall der Energiepreise trifft das nur bedingt zu.
Denn die Preise sind nicht gestiegen, weil das Angebot geringer geworden ist. Sie steigen, weil Spekulanten große Gewinnchancen wittern und die Nachfrage durch Termingeschäfte künstlich erhöhen. Hier verdienen sich Mineralölunternehmen und Menschen, die über das nötige Kapital verfügen, gerade eine goldene Nase. Und Menschen, die auf moderate Energiekosten angewiesen sind, haben den Gürtel enger zu schnallen.
Dabei sind es nicht die Kapitalisten, die Einkommenseliten und die Unternehmenslenker, die unsere Gesellschaft am Laufen halten. Stellten sie morgen ihre wirtschaftlichen Aktivitäten ein, kaum jemand würde es bemerken. Wenn hingegen Krankenschwestern, Feuerwehrleute, Polizeikräfte, produzierendes und verarbeitendes Gewerbe und nicht zuletzt die Strafvollzugsbediensteten ihre Arbeit einstellen würden, bräche das Chaos aus.
Nicht die Superreichen halten die Gesellschaft am Laufen
Was lehrt uns diese Erkenntnis: Nicht die Reichen und Schönen sorgen für das Funktionieren einer Gesellschaft, sondern jene Berufsgruppen, deren Leistungen und deren Bezahlung meist geringgeachtet werden. Noch vor Jahren wurde uns immer wieder erklärt, wenn die Reichen gut verdienen, dann fallen für die arbeitende Bevölkerung auch genug „Brotkrumen“ ab. Leider funktioniert dieses Prinzip nur noch unzureichend. Eine galoppierende Inflation verschärft die Lage zusätzlich. Viel zu viele sind bereits in prekäre Verhältnisse abgerutscht.
Wenn jetzt der Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) einen Rabatt auf die Spritrechnung ankündigt, dann ist dies ein Tropfen auf den heißen Stein und es besteht zudem die Gefahr, dass die Mineralölgesellschaften dieses Steuergeld abschöpfen. Es ist jetzt an der Zeit, das Problem grundsätzlicher anzugehen.
Wenn Amazon-Chef Jeff Bezos sich darüber freut, nur 0,98 Prozent Einkommenssteuer zu zahlen, wenn deutsche Milliardäre Stiftungen arbeiten lassen, um ihre Steuern zu gestalten und möglichst zu reduzieren, dann ist etwas gewaltig aus dem Ruder gelaufen. Multinationale Konzerne führen die Staaten an der Nase herum, weil sie selbst bestimmen können, wo sie ihre Gewinne versteuern.
Superreiche angemessen an der Finanzierung des Staates beteiligen
Es ist an der Zeit, Spekulationsgewinne und Vermögen so zu besteuern, dass die Reichen ihren angemessenen Beitrag an der Finanzierung der Gesellschaft leisten können. Denn derzeit geht es nicht mehr gerecht zu in unserem Gemeinwesen. Die hoch belastete Mittelschicht muss dringend entlastet werden, weil sich sonst das Versprechen, durch harte Arbeit bescheidenen Wohlstand erarbeiten und sozial aufsteigen zu können, nicht mehr erfüllen lässt.
Das von Besteuerungsgegnern oftmals angeführte Argument, die Reichen zahlten bereits jetzt den Großteil der staatlichen Einnahmen, verheimlicht mehr als es erhellt. Auch ein Jeff Bezos hat im letzten Jahr 998 Millionen Dollar Einkommenssteuern gezahlt, eine hohe Summe, das waren aber nur 0,98 Prozent seines Einkommens von 99 Milliarden Dollar. Welcher Arbeitnehmer konnte sich schon einmal über eine nur einprozentige Besteuerung freuen?
Selbstverständlich möchte unser Staat mit dem Steuersystem erreichen, das Gewinne reinvestiert werden. Sie werden daher gering besteuert oder ganz freigestellt. Das machen sich die Superreichen zu Nutze. Der Staat muss jetzt handeln, um wieder mehr Fairness in das Steuersystem zu bringen.
Arbeitsplätze und Wachstum müssen auch bei gerechter Besteuerung nicht leiden
Steuerexperten sind sich einig: Durch eine globale Mindeststeuer und einen ausgewogenen Mix aus Vermögens- und Erbschaftssteuer sowie höheren Kapitalertrags- und Immobiliensteuern ließen sich jährlich 30 bis 40 Milliarden Euro Mehreinnahmen erzielen, ohne dass Investitionen, Arbeitsplätze und Wachstum darunter leiden müssten. Diese Summe stände dann zur Verfügung, um den Mittelstand zu entlasten und unser Steuersystem wieder gerechter zu machen.
Es ist jetzt an der Politik, den politischen Willen aufzubringen, um in der Steuerpolitik die Bedingungen wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen. Der Staat muss die Superreichen endlich verstärkt zur Kasse bitten, um sie angemessen an der Finanzierung der Gesellschaft zu beteiligten. So wie sich die Verhältnisse derzeit zu entwickeln drohen, sind sie weder hinnehmbar noch akzeptabel.
Friedhelm Sanker
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