dbb Gewerkschaftstag
Die Politische Geschäftsführerin von Bündnis 90/Die Grünen Emily Büning, sprach sich bei der Podiumsdiskussion der Politikerinnen und Politiker des Deutschen Bundestages anlässlich der Öffentlichen Veranstaltung zum dbb Gewerkschaftstag am 29. November 2022 klar für Einkommenserhöhungen im öffentlichen Dienst aus. „Ich glaube, das ist richtig, weil es eine Teuerungsrate gibt. Ein attraktiver öffentlicher Dienst muss angemessen ausgestattet werden. Wir brauchen unseren Staat.“ Büning regte an, dass Beschäftigte in den unteren Einkommensgruppen proportional mehr erhalten sollten.
Die hohe Arbeitsbelastung der Beschäftigten ließe sich auch durch eine Verschlankung von Aufgaben des öffentlichen Dienstes reduzieren: Leistungen sollten zusammengelegt, die Zahl der Antragsverfahren verringert werden. Diesbezüglich biete die Digitalisierung ein großes Potential. Bei der Rekrutierung neuer Beschäftigter sei es zudem wichtig, sowohl das Arbeiten in Teilzeit zu ermöglichen, als auch Modelle wie etwa „Führen im Team“ anzubieten, um insbesondere Frauen zu erreichen, die Karriere machen wollten. Eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst eigne sich für alle, die mit Menschen arbeiten, einen sinnstiftenden sicheren Arbeitsplatz und Mitgestaltungsmöglichkeiten haben wollen, betonte Büning.
Der öffentliche Dienst brauche Wertschätzung, eine gute Infrastruktur, Ausstattung und Vergütung, bekräftigte CDU-Generalsekretär Mario Czaja. Auch müssten die Prozesse stimmen, wobei es vor allem darauf ankomme, die Abläufe in der Verwaltung möglichst flüssig und transparent zu gestalten.
Um das Image des öffentlichen Dienstes attraktiver zu gestalten, forderte Czaja, die Erfahrungsstufen in der Besoldung besser abzubilden. Zudem gelte es, die Selbstwirksamkeit zu stärken. Es mache niemandem Freude, wenn sich die unterschiedlichen Verwaltungen gegenseitig blockierten. Wichtig sei eine Änderung im Mindset. Wenn wie zum Beispiel in Berlin eine Kennzeichnungspflicht für die Polizei eingeführt und gleichzeitig in der Antidiskriminierungsstelle mit Beweislastumkehr gegen die Polizei gearbeitet
werde, sei die Bereitschaft, zur Polizei zu gehen, nicht sonderlich groß. Aus Sicht des CDU-Politikers sorge auch die Verbeamtung von Lehrerinnen und Lehrern in Berlin nicht für Abhilfe bei den chaotischen Zuständen in den Klassenzimmern, wo teilweise für die gleiche Arbeit vier unterschiedliche Gehalts- beziehungsweise Besoldungsstufen gelten würden.
Czaja kritisierte auch die Kleinteiligkeit der neuen Aufgaben, die den Beschäftigten in Verwaltungen und Behörden gegeben würden. „Wenn ich mit Abschlagszahlungen anfange, heißt das, dass man den Vorgang zwei- bis dreimal anfassen muss.“ Im Jobcenter von Berlin-Neukölln hätten ihm Beschäftigte erzählt, sie seien dort nicht in der Lage, all die Neuerungen einzuführen. Jeder der Mitarbeitende bearbeite dort an die 220 Fälle pro Tag. Irgendwann sagten die Mitarbeiter dann „Jetzt reichts!“, und das könne man verstehen, so Czaja.
Die stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag Susanne Ferschl bezeichnete die angemessene Bezahlung der Beschäftigten als einen Baustein, die Attraktivität des öffentlichen Dienstes als Arbeitgeber zu erhöhen. Als weitere Anreize nannte sie verbesserte Weiterbildungs- und Enzwicklungsmöglichkeiten, eine größere Durchlässigkeit bei den Laufbahnen sowie generell mehr Möglichkeiten zur Karrieregestaltung. Aus Sicht der Sprecherin für Arbeit und Mitbestimmung der Partei DIE LINKE trügen zudem modern ausgestatte Arbeitsplätze und deutlichere Fortschritte bei der Digitalisierung erheblich dazu bei, das Image des öffentlichen Sektors zu erhöhen.
„Ausbildungsplatzgarantien könnten junge Menschen ermutigen, eine berufliche Laufbahn im öffentlichen Dienst aufzunehmen. Und weitere Angebote zur besseren Vereinbarung von Beruf und Familien werden das Interesse am öffentlichen Dienst insbesondere bei Frauen weiter erhöhen“, zeigte sich Ferschl überzeugt. Generell sei wichtig, stärker hervorzuheben, dass „es die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes sind, die den Staat am Laufen halten. Wir müssen aufhören, die Kosten einer guten Verwaltung ständig zu thematisieren. Dadurch entsteht eine Negativspirale, die nirgendwo hinführt“, betonte sie.
Bezüglich der Schaffung von mehr Diversität im öffentlichen Dienst hob Ferschl die Bedeutung zielgruppen-und gendergerechter Initiativen hervor: Bisher habe die Bundesregierung beispielsweise zu wenig unternommen, Frauen aus der Teilzeitfalle zu holen. Auch fehlten probate Quotenlösungen zur Förderung weiblicher Führungskräfte.
Konstantin Kuhle, stellvertretender Vorsitzender der FDP-Fraktion, betonte, dass gerade das Berufsbeamtentum für junge Menschen attraktiv sei, „aber wir haben zu wenige, die sich zum Beispiel in der IT ein Leben lang verpflichten wollen. Daher müssen wir uns über Einstiege und Laufbahnen Gedanken machen“, forderte Kuhle. Die praktischen IT-Kenntnisse, die viele Bewerberinnen und Bewerber mitbrächten, seien in den Laufbahnen noch gar nicht angemessen abgebildet.
Auch Laufbahnwechsel müssten in den Behörden „kulturell gelebt“ und Möglichkeiten gefördert werden, „wieder aus dem öffentlichen Dienst herauszukommen, und zum Beispiel in die Wirtschaft oder den Tarifbereich zu wechseln“. Per se weniger Verbeamtung bedeute diese Art der Flexibilisierung aber nicht: „Zu sagen, wir haben zu viele Beamte, ist mit zu pauschal“, sagte Kuhle. Auch die Einkommensforderung des dbb für die Einkommensrunde 2023 mit Bund und Kommunen sei nicht zu hoch: „Zehn Prozent sind ja bei der Inflation nicht mehr Geld als vorher. Es ist doch klar, dass sie das fordern müssen. Nur, was am Ende dabei herauskommt, müssen sie mit meinem Parteivorsitzenden, dem Finanzminister besprechen“.
Was die Qualität des öffentlichen Dienstes betreffe, habe man zum Beispiel in Berlin nicht das Gefühl, der Staat erfülle seine Grundfunktionen, wenn man einen Pass beantragen wolle. „Daher müssen wir im regulatorischen Rahmen mehr darauf achten, dass die Grundzüge funktionieren, bevor man etwas neues draufpackt“, damit die Beschäftigten nicht noch weiter überfordert würden. „Wir müssen auch mehr Digitalisierung erreichen, und das nicht erst bis 2050.“ Hier sieht der FDP-Politiker auch die Länder in der Pflicht mitzuziehen, statt „ihre eigenen Süppchen zu kochen. Es fehlt oft das kulturelle Verständnis dafür, dass wir Verwaltung neu aufsetzen müssen, um sie zu digitalisieren.“
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert forderte eine angemessene Vergütung und sächliche Ausstattung der Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Mit Blick auf den Zustand mancher Dienstgebäude gab Kühnert zu bedenken: „Man mag sich nicht vorstellen, was es für Beschäftigte bedeutet, 38 bis 40 Stunden pro Woche in dieser Umgebung arbeiten zu müssen.“ Das zu ändern, sei eine Frage des Respekts gegenüber den Beschäftigten.
Mit Blick auf die Aufgabenflut, zum Beispiel durch die Wohngeldreform, räumte Kühnert ein, dass es einen „ruckeligen Übergang zum Jahresende“ geben werde. Das sei aber nicht die Schuld der umsetzenden Beschäftigten, sondern die Folge einer schnellen und notwendigen politischen Entscheidung, die ebenso schnell umgesetzt werden müsse. Daher seien die Behördenleiter aufgefordert, „lebenstaugliche, praktische Regelungen im Rahmen ihrer Spielräume zu nutzen, um die Verfahren zu beschleunigen. So viel Hands-On-Mentalität würde ich mir wünschen“, und dafür gebe es auch die notwendige politische Rückendeckung.
Was das Krisenmanagement des Staates betreffe, konstatierte Kühnert, dass Stellenäquivalente nicht als von Menschen besetzte Stellen gezählt werden dürften. „Wir müssen darüber streiten, wie wir mehr Menschen in den öffentlichen Dienst bekommen.“ Die Hälfte der erwerbstätigen Frauen hätten zum Beispiel „einen deutlichen Gap zwischen ihrer Teilzeitbeschäftigung und dem, was sie eigentlich gerne tun würden“. Der Schlüssel liege hier unter anderem in der Flexibilisierung von Arbeitszeitmodellen im öffentlichen Dienst.
Vor allem politisch interessierten und vielleicht unzufriedenen jungen Leuten empfiehlt Kühnert, sich für den öffentlichen Dienst zu interessieren, „weil sie dort wirksam werden und etwas zum Besseren verändern können“.
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