Am 14., 21. und 22. Oktober 2022 beging die Belegschaft der Vollzugsanstalt das 125-jährige Bestehen ihrer Einrichtung im Herzen des Ruhrgebiets. Zu Beginn stand ein offizieller Festakt auf der Tagesordnung, zu dem zahlreiche Gäste aus Politik, Gesellschaft und Justiz der JVA Bochum ihre Aufwartung machten. Der offizelle Teil der Veranstaltungen mündete abschließend in eine „Mauer-Party“ der Kolleginnen und Kollegen, die zuvor Gelegenheit hatten, ihren Angehörigen die Einrichtung im Rahmen eines Rundganges zu präsentieren.
Für den Festakt war seitens des Ministeriums der Justiz dessen Staatssekretärin Dr. Daniela Brückner angereist, um die besten Grüße und Wünsche des Ministers zu überbringen.
Seit Albert Einstein wissen wir: Zeit ist relativ. Bei allem, was sich mit hoher Geschwindigkeit bewegt, vergeht die Zeit langsamer. Nun ist eine Vollzugsanstalt immer noch eine Immobilie, so dass sich Einsteins Erkenntnis hier nicht nachweisen lässt. Aber immerhin lassen sich auch an Gebäuden die Zeitabläufe erkennen, weil ohne permanente Instandsetzungen der Zahn des Verfalls an ihnen nagt. Die Gebäude der JVA Bochum lassen besonders gut erkennen, wie sich der Vollzug und die daraus folgenden Anforderungen an die Infrastruktur verändert haben.
Gefangenenbetreuung im Wandel der Zeit
Als 1892 mit dem Bau des neuen „Centralgefängnisses“ in Bochum begonnen wurde, waren gerade knapp 100 Jahre vergangen, seit das Preußische Landrecht die Körperstrafen abgeschafft und durch Haftstrafen ersetzt hatte. Um mit wenig Personal möglichst viele Straftäter inhaftieren zu können, wurde das Gefängnis in panoptischer Bauweise auf einem rund 70.000 qm großen Gelände errichtet. Es dauerte fünf Jahre, bis am 1. Oktober 1897 die Einrichtung in Betrieb gehen konnte. Insgesamt betrugen die Erstellungskosten 1.730.000 Mark, was einer aktuellen Kaufkraft von rd. 13,5 Millionen Euro entspricht. Mit diesen recht bescheidenen Mitteln wurde Platz geschaffen für rund 800 Gefangene.
Die Bochumer Einrichtung diente von Beginn an der Besserung von Straftätern. Dies sollte durch Einzelhaft und Arbeit erreicht werden. Trotz dieser durchaus anspruchsvollen Zielsetzung geizte man beim eingesetzten Personal. Im Jahre 1901 waren in der „Krümmede“, wie die Einrichtung im Volksmund genannt wird, 66 Beschäftigte für 760 Gefangene zuständig, um die Bewachung und deren psychosoziale Betreuung zu gewährleisten.
Bis zu Beginn der 1920er Jahre war das Leben im Vollzug stark militärisch geprägt. Erst langsam setzte sich die Auffassung durch, dass von einer humaneren Ausgestaltung desVollzuges sowie verstärkte Behandlung und Betreuung von Delinquenten am ehesten deren Besserung erwartet werden kann. Konkret wurde deshalb die Fortbildung der Inhaftierten gefördert, sportliche Betätigung angeboten und ein Stufensystem eingeführt. Diese Reformschritte verfolgten nicht nur das Ziel, den Vollzug humaner zu machen. Sie waren auch darauf ausgerichtet, die Effizienz des Freiheitsentzuges durch Besserung der Täter nachaltig zhu erhöhen. Der Stufenvollzug als wichtiges Element dieses Konzeptes sollte die Gefanfangenen durch die schrittweise Gewährung von Vergünstigungen auf ein regelkonformes Leben in freiheit vorbereiten.
Seit dieser Zeit ist der Vollzug weitere Reformschritte gegangen; es hat sich einiges getan. Der Strafvollzug verfolgt aktuell auf gesetzlicher Grundlage die Rehabilitation von Straftätern mit einem weit umfassenderen Ansatz. Der finanzielle Aufwand für den Steuerzahler ist dabei enorm. Für die Behandlung steht in Bochum gegenwärtig ein interdisziplinäres Team zur Verfügung, das die individuellen Behandlungsmaßnahmen konzeptionell aufbereitet und umsetzt. Zur Zeit werden für die rd. 860 Gefangenen mehr als 400 Personalstellen vorgehalten.
Arbeit und Qualifizierung sind der Schlüssel zum Erfolg
Der Vollzug verfolgt das Ziel, den Rückfall zu vermeiden und dadurch die Gesellschaft sicherer zu machen. Alle fünf Jahre werden Rückfallzahlen wissenschaftlich erhoben und jeweils durch das Bundesjustizministerium veröffentlicht. Die bisherigen Zahlen lassen sich auf den Nenner bringen, dass rd. drei Viertel der Gefangenen nach der Entlassung nicht erneut stationär aufgenommen werden müssen, dass der Rest allerdings wiederholt „im Strafvollzug vorbeischaut“. Wenn die Medizin bei schweren Erkrankungen solche Erfolgszahlen aufwiese, würde sie gefeiert. Dem Strafvollzug wird hingegen jeder einzelne Rückfall angelastet, weil es bei erneuten Straftaten meist immer ein Opfer gibt.
Dass die Zahlen aber so überaus erfreulich sind, darf sich der Vollzug schon auf die Fahnen schreiben. Mit Arbeit und beruflicher Qualifizierung gelingt es vielfach, Straftätern realistische Perspektiven für die Zeit nach der Inhaftierung zu eröffnen und ihnen so den Weg in ein sozial verantwortliches Leben ohne Straftaten zu weisen. Hinzu treten die individuellen Fördermöglichkeiten bei psychischen Auffälligkeiten. Diese Behandlungsangebote verfolgen das Ziel, den Betroffenen Kompetenzen zu vermitteln und quasi einen „Kompass“ von Werten und Verhaltenmöglichkeiten an die Hand zu geben, damit sie sich künftig regelkonform in der Gesellschaft bewegen zu können.
Der Festakt
Zu Beginn der Festveranstaltung begrüßte Leitende Regierungsdirektorin Karin Lammel, die aktuelle Chefin in Bochum, die zahlreichen Ehrengäste. Sie betonte, dass der Wandel des Vollzuges sich in Bochum unschwer an den einzelnen Gebäudeensembles ablesen lassen. Die ursprüngliche Bausubstanz sei in weiten Teilen erhalten, obwohl ständig saniert und technisch aufgerüstet worden sei. Sie stehe daher mittlerweile unter Denkmalschutz.
Die zahlreichen Um- und Erweiterungsbauten und speziell die neu errichtete Sozialtherapie korrespondierten auf architektonisch angenehme Weise mit den Altbauten aus dem 19. Jahrhundert, weil sie sich harmonisch in das Gesamtbild einfügten.
Karin Lammel würdigte auch die Schicksale jener Menschen, die in der Einrichtung speziell während der Nazi-Zeit überaus gelitten hätten oder gar zu Tode kamen. Die Nachkriegszeit habe sich da wesentlich humaner gestaltet, obwohl auch hier Ereignisse eingetreten seien, die das Leben und die berufliche Entwicklung so manches Bediensteten schon stark beeinflußt habe.
Im Ausblick hob die Leiterin der JVA Bochum darauf ab, dass sie zuversichtlich und überzeugt davon sei, mit dem ihr gegenwärtig zur Verfügung stehenden Team den Vollzug in Bochum aufgabenangemessen gestalten und weiterentwickeln zu können. Sie schloss ihre Ausführungen mit dem Dank an alle Kolleginnen und Kollegen, die die Bochumer Einrichtungen jeden Tag aufs neue mit Leben erfüllten und sich engagiert in die Vollzugsarbeit einbrächten.
Staatssektretärin Dr. Daniela Brückner überbrachte die besten Grüße und Wünsche des Ministers und stellte fest, dass in der JVA Bochum klassische Zweckbauten zu einem harmonischen Ganzen gefügt worden seien. Die ursprüngliche Bausubstanz sei von außen faktisch erhalten, im Inneren durch bauliche Umgestaltungen jedoch so hergerichtet worden, dass sie die Gestaltung eines modernen Behandlungsvollzuges ermögliche.
Die Staatssekretärin führte weiter aus, dass es ihr ein ganz großes Bedürfnis sei, sich bei den Beschäftigten der Bochumer Einrichtung zu bedanken für das, was besonders in den zurückliegenden Jahren alles geleistet worden sei. Die Sanierung weiter Bereiche im Bestand und der Neubau der Sozialtherapie sei in beeindruckender Weise geschultert worden. Die Corona-Pandemie habe die Lage noch einmal deutlich erschwert. Zwischenzeitlich aber, so Dr. Daniela Brückner, könnten die Kolleginnen und Kollegen voller Stolz auf das Ergebnis ihrer Arbeit sehen und mit großer Zuversicht in eine positive Zukunft blicken.
Eine Vollzugseinrichtung ist ein Organismus, in dem bereits kleine Störungen zu großen Ablauf- und Verfahrensproblemen führen können. Die Staatssekretärin führte dazu aus, dass die Abweichungen von den normalen Abläufen in Bochum praktisch der täglich Normalfall gewesen seien. Es sei das große Verdienst des Personals, dass es diese speziellen Herausforderungen hervorragend bewältigt und gemeistert habe.
Anstaltsbegehung und anschließende „Mauer-Party“
Den Abschluss der Bochumer Festtage bildete eine Begehung der Ansstalt mit den Angehörigen der Kolleginnen und Kollegen. Viele Besucher waren beeindruckt von der Weitläufigkeit der Anlage. Nach dem Rundgang vermochten sie besser einzuschätzen, von welchen Bereichen die Rede ist, wenn eine Kollegin oder ein Kollege zuhause von den Wegen berichtete, die sie bzw. er im Dienst habe zurücklegen müssen.
Interessant war für die Besucher, die Sonder- und Funktionsbereiche der Einrichtung kennenzulernen und sich die entsprechenden Arbeitsabläufe erläutern zu lassen. Großen Zuspruch fand der Rundgang durch die Arbeitsbetriebe, die teilweise auf eine lange Tradition zurückblicken können.
Nach dem Verlassen der Einrichtung waren viele erschlagen von der großen Mengean Informationen und an Gebäuden, die sich auf dem 70.000 qm großen Anstaltsgelände drängen. Und wohl nicht viele hätten es geschafft, sich ohne Begleitung im intramuralen Bereich der Vollzugsanstalt zurecht zu finden.
Beim geselligen Beisammensein löste sich die Spannung, man plauderte in entspannter Atmoshäre und ließ die ein oder Anekdote Revue passieren.
BSBD-Vorsitzender Ulrich Biermann als Glücksfee
Aus dem fernen Ostwestfalen nahm der BSBD-Chef ebenfalls an der Veranstaltung teil. Die Geschichte der JVA Bochum ist deutlich älter als die der Bochumer Gewerkschaftsanfänge. Im Jahr 1949, die Folgen des Zweiten Weltkrieges waren noch sehr gegenwärtig, fanden sich zehn Beamte zusammen und gründeten den BSBD-Ortsverband Bochum.
Seit dieser gewerkschaftlichen Neugründung hat sich die BSBD-Untergliederung prächtig entwickelt. Markus Dahlbeck, Vorsitzender des Ortsverbandes, organisiert vor Ort über 350 Mitglieder. Bochum gehört damit zu den größten Ortsverbänden des BSBD in Nordrhein-Westfalen. Die starke Basisorientierung ist die Grundlage der Gewerkschaftsarbeit. Sie wird in Bochum gelebt. Der OV-Vorsitzende ist zudem mit der Landesebene bestens vernetzt, damit die Interessen der Kolleginnen und Kollegen ohne Reibungsverluste in die Entscheidungsgremien der Gewerkschaft eingespeist werden können.
Zum Jubiläum des 125-jährigen Bestehens der JVA Bochum war eine große Verlosung organisiert worden. Viele attraktive Preise suchten einen neuen Besitzer. Ulrich Biermann betätigte sich als Glücksfee und war dabei erfolgreich. Von ihrem ersten Preis, einem E-Scooter, war Kollegin Julia Raiger ganz begeistert. Der zweite Preis, ein Einkaufsgutschein des Ruhrpark Bochum, und der dritte Preis, ein DAB+-Radio, konnten die Pensionäre Ralf Rissmann und Manfred Claus mit nach Hause nehmen. Auch die weiteren Preise trafen auf zufriedene Glückspilze.
Friedhelm Sanker
Bilder im Beitrag: BSBD Ortsverband Bochum
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