Die Zahl der Selbsttötungen ist für die interessierte Öffentlich immer von besonderem Interesse. Relativ vorschnell wird diese Zahl zum Gradmesser für die Qualität der Behandlungsmaßnahmen in dem jeweils betroffenen Bundesland gemacht.
Und wer wollte es bestreiten, es gibt im Strafvollzug, obwohl die gesetzliche Basis des Vollzuges weitgehend deckungsgleich ist, durchaus Gestaltungsunterschiede. Bei den Selbsttötungen sind aber meist Gründe maßgebend, die sich durch den Vollzug nur schwer beeinflußen lassen, weil sie überwiegend dem persönlichen Bereich und der jeweiligen Persönlichkeitsstruktur zuzurechnen sind.
Suizide sind immer persönliche Tragödien, die besonders schwer für die Angehörigen zu verarbeiten sind. Obwohl die Suzidprophylaxe in den zurückliegenden Jahren immer weiter ausgebaut worden ist, lassen sich Selbsttötungen nicht gänzlich verhindern. Die Prophylaxe muss nämlich immer auch die Menschenwürde im Blick behalten. Unausgesetzte Kontrollen und Überwachungen wären inhuman und deshalb unzulässig.
Zwar sind die Selbsttötungsraten im Strafvollzug deutlich höher als in Freiheit, doch ist zu berücksichtigen, dass sich inhaftierte Menschen regelmäßig in persönlichen Krisen- und damit Ausnahmesituationen befinden. Für den ein oder anderen ist womöglich gerade die bisherige Existenz zusammengebrochen und er sieht sich subjektiv in einer ausweglosen Lage.
Zu Beginn der Inhaftierung hält der Vollzug eine Reihe von Stützungs- und Prognosemaßnahmen bereit, um Suizidgefährdungen möglichst schnell und sicher zu erkennen und die Persönlichkeit der Betroffenen möglichst zu stabilisieren. Diese Maßnahmen werden sehr akribisch durchgeführt, weil es auch für Vollzugsbedienstete traumatisierend ist, beim morgentlichen Aufschluss auf einen verstorbenen Gefangenen zu treffen.
Günstigstenfalls sind die Ergebnisse dann so positiv wie 2022, als lediglich zwölf Gefangene durch eigene Hand in den NRW-Gefängnissen starben. Ein Jahr zuvor waren es noch fünfzehn Todesfälle gewesen. Ein signifikanter Anstieg war 2020 zu verzeichnen, als die Suizidrate von 11 Fällen in 2019 auf 23 Selbsttötungen gesprungen war.
Für diese außerordentliche Entwicklung wurden seinerzeit die pandemiebedingten Einschränkungen und Quarantänemaßnahmen als Ursachen ausgemacht, was durch die Inhaftierten weitghend bestätigt worden ist. Die Zeit der Pandemie mit ihren Besuchsverboten und gestrichenen Lockerungen sei psychisch überaus belastend gewesen.
Friedhelm Sanker
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