Bei der letzten Novellierung des Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetzes im November 2022 hat sich ein folgenschwerer Interpunktionsfehler eingeschlichen. Rechtsexperten vertreten die Ansicht, dass dieser Fehler die beabsichtigte Verbotserweiterung unterläuft und stattdessen zu einer Legalisierung zuvor bereits verbotener Stoffgruppen führt.
Die Betroffenen von anhängigen Strafverfahren könnten womöglich einer Art „Generalamnestie“ unterfallen. Das Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz muss relativ oft geändert werden, weil sich ein Wettlauf zwischen den Anbietern dieser „Legal Highs“ genannten Stoffe entwickelt hat, was den Gesetzgeber zwingt, immer neue Stoffgruppen, die zunächst legal vertrieben werden können, zu kriminalisieren und zu verbieten.
Das Auftreten und die Verbreitung immer neuer Varianten von psychoaktiven Stoffen stellt nicht nur eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit dar, sondern auch für die Sicherheit und Ordnung in den bundesdeutschen Vollzugseinrichtungen. Seit 2016 bestimmt das Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz (NpSG) die Strafbarkeit von Besitz, Handeltreiben oder Herstellen dieser Stoffe. Zuvor waren die immer in neuer Erscheinungsform auftretenden Stoffe in die Anlagen zum Betäubungsmittelgesetz (BtMG) aufgenommen worden, was sich jedoch als wenig zweckmäßig erwies.
Das Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz sollte Vereinfachung schaffen
Als Antwort hat der Gesetzgeber das Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz geschaffen, mit dem nicht einzelne Stoffe, sondern Stoffgruppen unter Strafe gestellt werden. Es ist daher nicht mehr möglich, die chemische Zusammensetzung dieser Stoffe geringfügig zu verändern, um sie legal vertreiben zu können. Das Gesetz verfolgt das Ziel, die Bevölkerung und hier speziell Jugendliche und Heranwachsende vor den meist unkalkulierbaren gesundheitlichen Gefahren zu schützen.
Wer jedoch geglaubt hatte, das Problem damit an der Wurzel gepackt zu haben, sah sich bald getäuscht. Die „Drogenindustrie“ produziert nun eben fortlaufend neue Stoffgruppen, um diese „Legal Highs“ bis zu deren Aufnahme in die Verbotsliste legal vertreiben zu können.
Kleine Ursache mit großer Wirkung?
Rechtsexperten sehen derzeit keine schnelle Möglichkeit, den mit der letzten Novellierung des Gesetzes aufgetretenen Fehler zu heilen. Nach überwiegender Auffassung der Rechtsexperten ist es fraglich, ob das Gesetz ohne parlamentarische Anhörung und ohne Zustimmung des Bundesrates verändert werden darf. Missliche Konsequenz wäre es, dass eine ganze Reihe von anhängigen Strafverfahren mit einem ungewollten Freispruch enden könnten.
Das zuständige Gesundheitsministerium bleibt hingegen sehr entspannt. Es handele sich schließlich lediglich um einen redaktionellen Fehler, der „keine Auswirkungen auf die geltende Rechtslage“ habe, hieß es seitens des Ministeriums. Schließlich lasse sich der Wille des Gesetzgebers unzweifelhaft aus der Begründung des Gesetzes entnehmen. Man sei bemüht, die notwendige Berichtigung innerhalb von vier Wochen abschließen zu können.
Rechtsexperten argumentieren, dass die geplante Kriminalisierung eines LSD-Derivates aufgrund des „gesetzgeberischen Versehens“ gescheitert sei. Bei der konkreten Rechtsanwendung müsse sich der Gesetzgeber beim Wort nehmen lassen. Gerichte könnten das Gesetz nicht gegen seinen Wortlaut auslegen. Es gehe auch nicht an, die Strafbarkeit von Sachverhalten aus der Gesetzesbegründung interpretieren zu müssen. Welche Rechtsauffassung sich durchsetzen wird, müssen am Ende die Strafgerichte entscheiden, falls es zu entsprechenden Anklagen kommen sollte.
Der Vollzug ist erheblich betroffen, wenn die Strafbarkeit entfällt!
Für den Vollzug ist dieser Interpunktionsfehler ebenfalls misslich, weil jetzt etliche Stoffgruppen eventuell aus der Strafbarkeit herausfallen. Etliche Besucher von Gefangenen könnten sich veranlasst sehen, solche Produkte in den Vollzug einzubringen, weil im Falle der Entdeckung kein staatsanwaltliches Ermittlungsverfahren mehr droht und strafrechtliche Konsequenzen damit entfallen. Sollte sich diese Sachlage herumsprechen, könnte eine nicht unerheblich Beeinträchtigung der Sicherheit und Ordnung in betroffenen Einrichtungen die Folge sein. Schließlich sind die Vollzugseinrichtungen meist ein lohnendes Ziel für den Verkauf von psychoaktiven Substanzen.
Friedhelm Sanker
Symbolfoto im Beitrag © manaexlegion / stock.adobe.com
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